AGES-Radar für Infektionskrankheiten - 30.11.2023
Das AGES-Radar für Infektionskrankheiten erscheint monatlich. Ziel ist es, der interessierrten Öffentlichkeit einen raschen Überblick zu aktuellen Infektionskrankheiten in Österreich und der Welt zu geben. Die Krankheiten werden kurz beschrieben, die aktuelle Situation wird geschildert und, wo es sinnvoll und möglich ist, wird das Risiko eingeschätzt. Links führen zu tiefergehenden Informationen. Im "Thema des Monats" wird jeweils ein Aspekt zu Infektionskrankheiten genauer betrachtet.
Situation in Österreich
Atemwegserkrankungen, darunter COVID-19, Influenza und RSV, treten im Herbst vermehrt auf. Diese Erkrankungen werden über verschiedene Systeme beobachtet, wie dem Diagnostischen Influenza Netzwerk Österreich (DINÖ), dem ILI-(Influenza-like-Illness)-Sentinel-System und dem Österreichischen RSV-Netzwerk (ÖRSN). Die Situation in den Krankenhäusern wird über das SARI-(Schwere Akute Respiratorische Erkrankungen)-Dashboard erfasst.
COVID-19 ist derzeit die dominierende respiratorische Erkrankung und nimmt auch weiterhin zu. RSV- und Grippefälle kommen noch in geringer Anzahl vor. Die durch die Pandemie bekannten Maßnahmen können helfen, die Ausbreitung aller respiratorischen Erkrankungen zu bremsen: Handhygiene, passende Masken in entsprechender Umgebung und das Meiden von Kontakten bei Symptomen.
Wie zu erwarten, steigen die COVID-19-Infektionszahlen in der kalten Jahreszeit an. Dennoch ist derzeit davon auszugehen, dass sich die COVID-19-Situation, vor allem in den Krankenhäusern, im Vergleich zu den vergangenen Jahren in einem moderateren Maße entwickelt.
Im Abwassermonitoring ist die gemessene Virenkonzentration auf sehr hohem Niveau. Das DINÖ registriert ebenfalls weiterhin eine konstant hohe Anzahl an SARS‑CoV-2-positiven Proben. Österreichische Labore schicken SARS-CoV-2-Proben zur Sequenzierung an die AGES. Die Ergebnisse der Sequenzierung werden regelmäßig im COVID-19-Steckbrief veröffentlicht.
In Österreich ist die kostenlose COVID-19-Impfung für alle ab dem vollendeten 6. Lebensmonat möglich und für alle ab dem vollendeten 12. Lebensjahr allgemein empfohlen. Weiterführende Informationen zur COVID-19-Impfung finden Sie im aktuellen Impfplan 2023/2024 (Kapitel E – COVID-19) vom 05.09.2023.
Seit Oktober 2023 und damit dem Beginn der Grippesaison 2023/2024, wurden in Österreich über das DINÖ bisher nur sporadisch Influenza-Fälle gemeldet. Die geschätzte Anzahl von Grippe bzw. grippeähnlichen Erkrankungen zeigt derzeit eine moderate Zunahme grippeähnlicher Erkrankungsfälle. Details über die letzten Grippesaisonen finden Sie im AGES-Radar vom 05.10.2023 (siehe Downloads).
Die Influenza-Impfung wird laut Impfplan Österreich 2023/2024 ab dem vollendeten 6. Lebensmonat allgemein empfohlen. Alle in Österreich lebenden Menschen können sich im Rahmen des „Öffentlichen Impfprogramm Influenza“ u. a. in Ordinationen niedergelassener Ärzt:innen gegen Influenza impfen lassen. Für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren und bestimmte Personengruppen ist die Impfung kostenlos, beispielsweise Menschen mit Rezeptgebührenbefreiung und in Alten- und Pflegeheimen lebende Menschen. Für Personen ab 18 Jahren ist sie zu einem Selbstbehalt von 7€ erhältlich.
Details zur Inanspruchnahme der Impfung für Bürger:innen finden Sie auf www.impfen.gv.at/influenza
Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV, löst Erkrankungen der Atemwege aus. Die RSV-Saison beginnt in Österreich meist im November und geht bis April. Säuglinge, Kleinkinder und Personen über 60 Jahre haben ein erhöhtes Risiko, schwer an RSV zu erkranken.
In Kalenderwoche 41 wurde erstmals eine RSV-positive Probe im Sentinel-Netzwerk (DINÖ) im Burgenland registriert. Das SARI-Dashboard verzeichnet vereinzelte Krankenhausaufnahmen auf Normalstationen, vorrangig Säuglinge und Kleinkinder im Alter von 0 bis 4 Jahre und über 70-Jährige.
Seit Herbst 2023 sind in Österreich zwei Impfstoffe zur Vermeidung von durch RSV ausgelösten Erkrankungen des unteren Respirationstrakts für Erwachsene verfügbar. Beide Impfstoffe sind ab dem vollendeten 60. Lebensjahr zugelassen und gemäß den aktuellen nationalen Empfehlungen als einmalige Dosis allgemein empfohlen. Zusätzlich ist der Impfstoff Abrysvo für Schwangere zum passiven Schutz von Neugeborenen zugelassen.
Details zur RSV-Impfung finden Sie unter: Impfplan Österreich 2023/2024 (sozialministerium.at)
Pertussis ist eine hochansteckende, meldepflichtige Infektionserkrankung der Atemwege. Besonders für Säuglinge und Kleinkinder kann diese Erkrankung zu schweren Verläufen und Todesfällen führen.
Die beste Schutzmaßnahme gegen Keuchhusten ist die Impfung. Die Pertussis-Impfung ist im kostenlosen Kinderimpfprogramm enthalten. Nach der Grundimmunisierung im Säuglingsalter, wird sie im Schulkindalter aufgefrischt und sollte später im Erwachsenenalter erneut regelmäßig aufgefrischt werden. Mehr Informationen finden Sie dazu im österreichischen Impfplan (Impfplan Österreich) und „Faktencheck: Keuchhusten. Impfen schützt!“ (PDF: Faktencheck Keuchhusten).
In Österreich sind die Fallzahlen von Pertussis in den Jahren vor der COVID-19-Pandemie stetig gestiegen. Während im Jahr 2015 landesweit 579 Fälle gemeldet wurden, waren es 2017 bereits 1.411. Durch die Präventivmaßnahmen gegen COVID-19 sind die Pertussis-Fälle stark zurückgegangen. Aktuell entwickelt sich die Situation dem Trend von vor den COVID-19-Jahren entsprechend und die Zahlen steigen wieder. Ähnliches wird in anderen europäischen Ländern beobachtet. Aufgrund der nicht ausreichenden Durchimpfungsrate bei Säuglingen unter einem Jahr in Österreich (85 %; Stand: 2022) ist davon auszugehen, dass die Pertussis-Fallzahlen in dieser Altersgruppe in den kommenden Jahren weiterhin steigen werden.
Internationale Ausbrüche
In den meisten europäischen Ländern hat mit Stand 19.11.2023 die Anzahl der gemeldeten Fälle von respiratorischen Erkrankungen zugenommen, wie es für diese Zeit des Jahres erwartet wird. SARS-CoV-2 zirkuliert weiterhin auf einem hohen Level. Dies spiegelt sich auch in Krankenhausaufnahmen, Belegung der Intensivstationen und Todesfällen wider. Hauptsächlich betroffen von schweren Verläufen sind über 65-Jährige. RSV-Fälle nehmen zu, vor allem in der Altersgruppe 0 bis 4 Jahre. Die saisonale Influenza-Aktivität ist noch gering, zeigt aber bereits einen leichten Aufwärtstrend (ECDC).
Die USA melden erhöhte RSV-Aktivität, vor allem bei jungen Kindern. Auch die COVID-19-Aktivität bleibt erhöht. Influenza-Fälle steigen weiter an. Fast im ganzen Land erreichen die Besuche der Notaufnahmen aufgrund von Influenza das Niveau von COVID-19. Krankenhausbelegung und -kapazitäten sind landesweit stabil (CDC, Stand 27.11.2023).
Die derzeit gemeldeten Zahlen geben die Infektionslage nicht genau wieder, da die Zahl der Tests und Meldungen weltweit zurückgegangen ist.
SARS-COV-2-Varianten
Derzeit gibt es weder bei der WHO noch beim ECDC eine Variant of Concern (VOC), es ist also keine Virusvariante als besorgniserregend eingestuft.
Die XBB1.5-ähnlichen Varianten mit einer zusätzlichen F456L-Mutation, zu denen auch EG.5 zählt, sind weltweit dominant. In Europa zirkulieren sie mit einem Anteil von rund 68 % (ECDC).
BA.2.86 wurde Ende November von WHO und ECDC auf eine Variant of Interest (VOI) hinaufgestuft. Dies wird damit begründet, dass BA.2.86 zahlreiche Mutationen aufweist und weltweit konstant zunimmt. BA.2.86 wurde erstmals im August registriert, bisher ist diese Variante noch nicht mit besorgniserregenden Eigenschaften bei Übertragung, Immunflucht oder Krankheitsschwere aufgefallen.
Seit Ende Oktober sind DV.7 (ECDC) bzw. DV.7.1 (WHO) als Variant under monitoring (VUM) eingestuft. Diese beiden Varianten stammen von BA.2.75 ab. Weltweit weist DV.7 Anfang November eine Prävalenz von 1,9 Prozent auf.
Das Sequenzierungsniveau ist weltweit niedrig.
Ausführlichere Informationen zur internationalen Variantenlage finden Sie auf: Coronavirus - AGES
Dengue-Fieber ist eine virale Erkrankung, die durch bestimmte Stechmücken der Gattung Aedes, übertragen wird.
In Bangladesch wütet der schlimmste Dengue-Fieber-Ausbruch in der Geschichte des Landes. Bisher wurden dieses Jahr 308.167 Dengue-Fieber-Fälle gemeldet, 1.598 Personen sind verstorben (Stand 26.11.2023). Damit haben sich die Todesfälle seit vergangenem Jahr fast verfünffacht. Während in den vergangenen Jahren vorrangig die Millionenstadt Dhaka betroffen war, hat sich die Krankheit beim derzeitigen Ausbruch auch auf die ländlichen Bereiche des Landes ausgebreitet. Das spärliche Angebot an Gesundheitseinrichtungen in den ländlichen Gebieten verschlechtert die Lage.
Die Dengue-Fieber-Fälle in Bangladesch hängen mit der Regenzeit zusammen, die normalerweise von Mai bis September anhält. Extreme Regenfälle, steigende Temperaturen und eine verlängerte Regenzeit begünstigen die Ausbreitung von vektorübertragenen Erkrankungen wie Dengue (WHO).
Das Dengue-Virus (DENV) hat vier Serotypen: DENV-1, DENV-2, DENV-3, DENV-4. Die Infektion mit einem Serotyp verleiht eine langfristige Immunität gegen diesen einen Serotypen, nicht aber gegen die anderen. Eine zweite Dengue-Virus-Infektion mit einem anderen Serotyp erhöht das Risiko einer schweren Erkrankung. Auch dieser Umstand führt in Bangladesch derzeit zu so einem verheerenden Ausbruch: in den letzten Jahren war DENV-3 vorherrschend, 2023 ist DENV-2 der dominante Serotyp (WHO).
Früher war die Erkrankung auf die tropischen Regionen begrenzt. In den vergangenen Jahren kann eine weltweite Zunahme der Dengue-Fälle beobachtet werden: 2023 wurden insgesamt 4,2 Millionen Fälle gemeldet (Stand 02.10.2023) – das ist im Vergleich zum Jahr 2000 eine Verachtfachung. Auch im südlichen Europa werden seit ein paar Jahren lokal erworbene Fälle gemeldet (vgl. AGES-Radar vom 05.10.2023). Denguefieber ist in Österreich eine meldepflichtige Erkrankung.
In Europa sind zwei Dengue-Impfungen zugelassen: Qdenga und Dengvaxia, wobei Dengvaxia in Österreich derzeit nicht zur Verfügung steht. Derzeit gibt es vom Nationalen Impfgremium keine allgemeine Empfehlung zur Impfung gegen Denguefieber bei Reisen in Endemiegebiete. Um Mückenstiche zu vermeiden, wird der Einsatz von Insektenschutz und das Tragen langärmeliger Kleidung empfohlen (BMEIA und NIG).
Bakterien als Übertragungsbremse
Der Einsatz von Insektiziden gegen die Aedes Mücken hat nur begrenzt Wirkung, da die Tiere dagegen resistent werden. Eine relativ neue Strategie, die Ausbreitung von Dengue einzugrenzen, wird u. a. von der Non-profit-Organisation World Mosquito Program (WMP) durchgeführt. Hierbei werden männliche Mücken freigelassen, die mit dem Bakterium Wolbachia infiziert sind. Paaren sich Weibchen mit solchen Männchen, schlüpfen keine Nachkommen aus den abgelegten Eiern, die Stechmückenpopulation wird kleiner. Wolbachia kommt in vielen Insekten auf natürliche Weise vor und ist für Menschen und Tiere ungefährlich. Das WMP forscht seit über zehn Jahren an dieser Herangehensweise, in mehreren Ländern wie Kolumbien, Australien und Brasilien wurde sie bereits erfolgreich getestet. In bestimmten Regionen in Kolumbien ist seit dem Einsatz der Wolbachia Mücken die Dengue-Inzidenz um bis zu 97 % zurückgegangen.
Verglichen mit dem Jahr 2021 haben im Jahr 2022 die Masernfälle weltweit um 18 Prozent zugenommen, die Zahl der Todesfälle ist um 43 Prozent gestiegen. Die WHO spricht in einem aktuellen Bericht von neun Millionen Fällen und 136.000 Todesfällen im Jahr 2022, Hauptbetroffene sind Kinder.
Als Hauptgrund für den Anstieg sieht die WHO die seit Jahren sinkenden Impfraten. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Einzelfälle zu weitreichenden Ausbrüchen führen. Die Erkrankung kann sich in Bevölkerungsteilen mit fehlender Impfung leicht ausbreiten. Das gilt für viele ärmere Regionen der Welt, in denen durch die Pandemie Impfprogramme nicht durchgeführt werden konnten. Es gilt aber auch für europäische Länder, in denen die Durchimpfungsraten aufgrund zunehmender Impfskepsis zurück gehen. Auch in Österreich kam es heuer zu mehreren Ausbrüchen mit insgesamt über 160 Erkrankten (vgl. AGES-Radar vom 05.10.2023).
Die beste Vorbeugung gegen Masern ist die Impfung. In Österreich sind ab dem vollendeten 9. Lebensmonat insgesamt zwei Impfdosen allgemein empfohlen (ein gemeinsamer Impfstoff mit Mumps und Röteln). Die Impfung ist altersunabhängig kostenlos, fehlende Impfungen sollen in jedem Alter nachgeholt werden.
Pertussis ist eine hochansteckende Infektionskrankheit der Atemwege, die weltweit ganzjährig auftritt. Die Fallzahlen steigen insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten an. Während der COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 sind die Fälle global gesehen stark zurückgegangen. Seither hat sich die Situation verändert und in einigen Regionen kam es 2023 zu einem rasanten Anstieg der Pertussis-Fälle, so auch in Europa.
In Dänemark spricht man von einer Pertussis-Epidemie, da bereits 1.229 Fälle für dieses Jahr (Stand: KW 37) gemeldet wurden. Als Reaktion darauf wurden landesweit kostenlose Impfungen für schwangere Frauen im zweiten und dritten Trimester eingeführt und in die Impfempfehlungen für schwangere Frauen aufgenommen.
In Kroatien wurden für das Jahr 2023 bereits 1.047 Fälle gemeldet. Laut lokalen Expert:innen ist dieser Anstieg im Vergleich zu den letzten Jahren zurückzuführen auf: die niedrige Durchimpfungsrate bei den Erstimpfungen bei Säuglingen, die fehlende natürlich erworbene Immunität aufgrund der COVID-19 Pandemie und auf die verbesserte Verfügbarkeit der PCR-Methode zur Identifizierung von B. pertussis. Als Reaktion auf den Anstieg der Fälle wird die Impfung schwangerer Frauen im zweiten und dritten Trimester ebenfalls empfohlen.
In Serbien gibt es 2023 (Stand: Oktober) bereits 28 Pertussis-Fälle bei Kindern. Die Jahre zuvor wurden nur sporadisch Fälle gemeldet. Der diesjährige Anstieg ist laut lokalen Expert:innen auf eine niedrige Durchimpfungsrate bei Säugligen zurückzuführen.
In Spanien sind die Fälle von Pertussis ebenfalls gestiegen. Mit Stand September 2023 wurden bereits 1.162 Fälle gemeldet, größtenteils Kinder, mindestens 42 von ihnen waren hospitalisiert.
Weltweit und so auch in der Europäischen Union wird von den Gesundheitsorganisationen (WHO, ECDC) auf eine hohe Immunisierung der Bevölkerung gesetzt, um größere Ausbrüche und die Verbreitung zu vermeiden bzw. einzudämmen. In den EU/EWR-Ländern wird die Pertussis-Impfung häufig als Kombinationsimpfung (DTP3 – Diphterie, Tetanus, Pertussis) im Kleinkindalter verabreicht, wobei die Schätzung der Durchimpfungsrate bei den unter 1-Jährigen in den einzelnen Ländern stark voneinander abweichen. Laut WHO lag im Jahr 2022 die Durchimpfungsrate in Österreich bei Säuglingen unter einem Jahr lediglich bei 85 % und ist der zweitniedrigste Wert in Europa nach der Ukraine (73 %). Eine Durchimpfungsrate von 99 % erreichen Griechenland, Ungarn, Luxemburg, Malta und Portugal.
Thema des Monats
Antibiotika sind die wichtigste Waffe im Kampf gegen viele bakterielle Infektionen. Doch Keime können dagegen resistent werden, und aus Krankheiten, die heute noch einfach zu behandeln sind, werden wieder tödliche Bedrohungen. Wir alle können dazu beitragen Resistenzbildungen zu vermeiden. Wie das geht und warum das so wichtig ist, hat die AGES hier zusammen getragen, mit Tipps von der richtigen Medikamenteneinnahme bis hin zur Hygiene im Haushalt.
Doch wie sieht es mit unseren Lebensmitteln aus? Auch in der Nutztierhaltung werden Antibiotika eingesetzt, landen diese auf unserem Teller? Und ist unser Essen schon mit resistenten Keimen belastet?
Laut dem aktuellen Risikobarometer zeigt sich knapp die Hälfte der Bevölkerung besorgt hinsichtlich des Vorkommens von Antibiotika in Lebensmitteln. Hier kann einerseits Entwarnung gegeben werden, da Lebensmittel hierzulande so gut wie nie belastet sind. Andererseits kann der Einsatz von Antibiotika in der Lebensmittelproduktion zur Entstehung resistenter Keime führen. Daher lohnt sich ein Blick auf die Zusammenhänge.
34,26 Tonnen antimikrobiell wirksamen Substanzen wurden im Jahr 2022 in Österreich an Nutztiere verabreicht. Gut zwei Drittel der Menge wurde an Schweine abgegeben, 27 Prozent an Rinder und sechs Prozent an Geflügel.
Diese Zahlen gehen seit Jahren zurück, 2022 wurden um 12,3 Prozent weniger Antibiotika an Nutztiere verabreicht als im Jahr davor. Die Bemühungen um einen reduzierten und zielgerichteten Einsatz zeigen Erfolge. Früher wurden Antibiotika sogar als Wachstumsförderer in der Nutztierhaltung eingesetzt, doch das ist EU-weit bereits seit dem Jahr 2006 verboten.
Was für Konsument:innen vermutlich wichtiger ist als die eingesetzte Menge: Antibiotikarückstände in Lebensmitteln sind kein Problem, sie kommen so gut wie nie vor. Die AGES untersucht im Auftrag des Gesundheitsministeriums Lebensmittel auf entsprechende Rückstände. Im Jahr 2022 wurden im Rahmen dieses Rückstandsmonitorings 8.716 Proben analysiert. Antibiotikarückstände in relevanten Mengen fanden sich nicht.
Antibiotika gelangen heutzutage bei uns nur dann in Lebensmittel, wenn sie nicht sachgemäß verwendet wurden. Für den Einsatz in der Tierhaltung existieren klare Regelungen und Wartezeiten vor der Schlachtung. Die Überwachungsprogramme zeigen, dass diese Regelungen funktionieren und die in der EU vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden.
Was sich jedoch auf Lebensmitteln findet, sind resistente Keime. Frischfleisch aus dem Einzelhandel von verschiedenen Nutztieren wird im Rahmen der EU-weiten Überwachung von der AGES regelmäßig untersucht. Vergangenes Jahr fanden sich bei einem Viertel der Hühnerfleischproben antibiotikaresistente (extended ß-Laktamase-produzierende) Keime, beim Putenfleisch waren 74 von 179 Proben belastet. Deutlich geringer (<10 %) war die Belastung bei Rind- und Schweinefleisch im Jahr 2021, bei Letzterem wurde in rund einem Fünftel der untersuchten Proben allerdings ein weiterer multiresistenter Erreger, nämlich der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), nachgewiesen.
In der konventionellen Landwirtschaft werden mehr Antibiotika eingesetzt als in der biologischen Landwirtschaft. Die Haltungsbedingungen beeinflussen den Gesundheitszustand der Tiere und machen entsprechend unterschiedlich intensive Behandlungen notwendig.
Konsument:innen beeinflussen mit der Wahl ihrer Lebensmittel die Menge eingesetzter Medikamente und letztlich die Entwicklung resistenter Keime. Weniger Fleischkonsum und die bewusste Entscheidung für qualitativ hochwertiges Fleisch aus tiergerechter Haltung ist auf vielen Ebenen ein Gewinn für die Gesundheit – auch weil es dabei hilft, den Antibiotikaverbrauch zu senken.
Eine direkte Gesundheitsgefahr stellen die Keime auf dem Fleisch normalerweise nicht dar, sie werden beim ausreichenden Erhitzen vernichtet. Beim Zubereiten ist es wichtig, einige Hygieneregeln zu befolgen:
- Arbeitsflächen und – utensilien (Messer) sauber halten
- Für die Verarbeitung roher tierischer Produkte sollten eigene Arbeitsutensilien verwendet werden; Küchenutensilien, die mit rohen tierischen Lebensmitteln in Kontakt gekommen sind, sollten sofort nach dem Gebrauch mit heißem Wasser und Spülmittel oder in der Spülmaschine gereinigt werden
- Verpackungen und Tauwasser von Fleisch und Geflügel sofort entsorgen
- Auch beim Aufwärmen darauf achten, dass die Speisen ausreichend erhitzt werden
Meldungen
Am 22. November bat die WHO China um Informationen zu der gestiegenen Anzahl an respiratorischen Erkrankungen bei Kindern. Mehrere chinesische Zeitungen hatten von überfüllten Kinderspitälern berichtet, unter anderem in Peking.
Laut WHO erfolgt der beobachtete Anstieg an respiratorischen Infektionen zwar früher als in vergangenen Saisonen, ist aber nicht unerwartet. Neben COVID-19, Influenza und RSV wurden auch Lungenentzündungen durch das Bakterium Mycoplasma pneumoniae gemeldet.
China hat in einer ersten Reaktion erklärt, dass keine bisher unbekannten Erreger Ursache des Ausbruchs seien. Die starke Zunahme könne auf die Aufhebung aller COVID-19-Maßnahmen und eine verstärkte Surveillance zurückgeführt werden. China versucht die Behandlungskapazitäten zu erweitern und Impfprogramme zu initiieren.
Solche Nachfragen der WHO an einzelne Länder sind tägliche Routine zwischen Expert:innen oder der Verwaltung. Derzeit gibt es keinen Hinweis, dass die Situation an Atemwegserkrankungen bei Kindern in China außergewöhnlich oder speziell bedrohlich ist. Die WHO wird die Entwicklung in Kooperation mit China so gut wie möglich beobachten.
Eine aktuelle Studie von Expert:innen des Institutes für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der AGES in Wien hat gezeigt, dass Tularämie-Fälle („Hasenpest“) in Österreich in den letzten Jahren zugenommen haben. Die Erkrankung wird hierzulande üblicherweise durch infizierte Nagetiere und Hasen übertragen, seltener durch Zecken oder Stechmücken. Die wissenschaftliche Publikation der AGES stellt drei Fällen aus Österreich vor, bei denen die Übertragung durch Arthropoden (z. B. Zecken oder Stechmücken) stattfand. Die Autor:innen empfehlen daher eine systematische Überwachung von Zecken auf das Vorhandensein des Erregers von Tularämie. Ein solches Monitoring könnte die Eindämmung der Verbreitung des Erregers, aber auch die rechtzeitige Diagnose von Fällen beim Menschen unterstützen.
Referenz:
Heger, F., Schindler, S., Pleininger, S., Fueszl, A., Blaschitz, M., Lippert, Indra, A. (2023). Three Cases of Tickborne Francisella tularensis Infection, Austria, 2022. Emerging Infectious Diseases, 29(11), 2349-2352. https://doi.org/10.3201/eid2911.230460.
https://wwwnc.cdc.gov/eid/articles/issue/29/11/table-of-contents
Hinweis für Jäger:innen:
Tularämie kann vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Daher ist der Schutz beim Umgang mit kranken und toten Wildtieren, wie Hasen und Kaninchen, besonders wichtig. Jäger:innen sollten beim Abbalgen Handschuhe und gegebenenfalls auch eine Atemmaske (FFP2/FFP3) tragen. Auffällige Tiere sollten den Behörden gemeldet werden.
Hinweis für den Verzehr:
Das Fleisch von Hasen und Kaninchen sollte ausschließlich gut durchgegart verzehrt werden.
Am 7. November veröffentlichte die WHO den Jahresbericht zur weltweiten Entwicklung der Tuberkulose. Tuberkulose wird meist von dem Bakterium Mycobacterium tuberculosis ausgelöst und ist die weltweit häufigste tödlich verlaufende Infektionskrankheit beim Menschen.
Die Zahl der Neuerkrankungen im Jahr 2022 weist der Bericht mit Daten aus 192 Ländern mit 10,6 Millionen Fällen aus. Damit setzt sich der Trend zunehmender Fallzahlen fort. Zwar ist die Zahl der Todesfälle zurückgegangen, doch die Pandemie hat dazu geführt, dass die Ziele der WHO bei weitem nicht erreicht werden konnten.
Die Entwicklung in Österreich wird im Jahresbericht und im AGES-Radar vom 02.11.2023 detailliert dargestellt.
Fachbegriff Epidemiologie
Wir stellen monatlich einen Fachbegriff aus dem Bereich der Infektionsepidemiologie vor. Wir beginnen mit einem Begriff, der während der COVID-19-Pandemie oft verwendet wurde, wenn auch nicht immer völlig korrekt:
Inzidenz
= Anzahl an Neuerkrankungen in einem bestimmten Zeitraum, z. B. pro Jahr.
Die genaue Definition laut dem Fachwörterbuch Infektionsschutz des RKI ist: „eine Rate als Maß der Häufigkeit des Auftretens neuer Ereignisse (Infektionen, Erkrankungen u. a.) in einer bestimmten Bevölkerung als geschlossener Grundgesamtheit in einem bestimmten Zeitraum.“
Oder als Formel ausgedrückt: Neuerkrankte in einer definierten Population in einer bestimmten Zeitperiode/Personen in dieser Population, die zu Beginn der Periode nicht erkrankt waren
Um eine Inzidenz korrekt anzugeben, muss folglich definiert sein:
- was genau angegeben wird (Erkrankung, Infektion, …)
- innerhalb welcher Gesamtpopulation (z. B. alle Österreicher:innen)
- bezogen auf wie viele Personen der Gesamtbevölkerung (z. B. pro 100.000) und welcher Zeitraum (z. B. pro Woche).
Das nächste AGES-Radar erscheint aufgrund der Weihnachtsfeiertage bereits in drei Wochen am 21.12.2023.
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Aktualisiert: 30.11.2023