Pflanzenschutzmittel Rückstände

 

Informationen zu Rückständen finden Sie in unserer Datenbank

 

Nach der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind Rückstände des Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffes (bzw. Abbauprodukte des Wirkstoffes) in den behandelten Kulturen häufig unvermeidlich. Dabei sind Rückstände aus der direkten Behandlung oder indirekt (Nachbaukulturen, Lebensmittel tierischer Herkunft aus der Verfütterung von behandelten Futtermitteln) möglich.

Einflussfaktoren

Ob und in welcher Menge Rückstände am Erntegut zu finden sind, hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Art der Anwendung: Behandlungen direkt auf das Erntegut führen im Normalfall zu höheren Rückstandsmengen als beispielsweise Saatgutbehandlungen vor der Aussaat
  • Aufwandmenge: je größer die ausgebrachte Wirkstoffmenge auf die Fläche ist, umso höher ist tendenziell auch die Rückstandsmenge am Erntegut
  • Anzahl der Anwendungen und der zeitliche Abstand zwischen den Anwendungen
  • Zeitpunkt der Anwendung: je früher in der Vegetationsperiode der Nutzpflanze eine Behandlung fällt, desto geringer ist üblicherweise die Menge der Rückstände
  • Anwendung im Glashaus oder im Freiland: durch den weitgehend fehlenden Witterungseinfluss (z. B. Regen) sind Anwendungen im Glashaus aus der Sicht der Rückstandsbewertung kritischer zu sehen als jene im Freiland
  • Zeitdauer, die zwischen Ausbringung des Pflanzenschutzmittels und Ernte liegt (Wartefrist): im Regelfall werden Pflanzenschutzmittel-Rückstände mit der Zeit abgebaut
  • Abbauverhalten des Wirkstoffes, d. h. wie schnell wird ein Wirkstoff abgebaut und zu welchen Abbauprodukten zerfällt dieser
  • Physikalisch-chemische Eigenschaften des Wirkstoffes: In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, ob ein Stoff über das Leitungsbahnensystem der Pflanzen in essbare Anteile transportiert wird

Rückstandshöchstmengen (Höchstwert, MRL)

Rückstandshöchstmengen (Maximum Residue Level - MRL) sind so festgesetzt, wie sie auf Basis der Risikobewertung (Toxikologie, Rückstandsverhalten) akzeptabel sind. Dabei wird das ALARA Prinzip (as low as reasonable achievable) angewendet, d. h. die Rückstandshöchstmenge darf maximal nur so hoch sein, wie sie auch wirklich notwendig ist. Es ist das Ziel der Bewertung im Rahmen der Höchstmengen-Ableitung, einen ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen der maximal erlaubten Höchstmenge und der Konzentration, bei der eine Gesundheitsgefährdung möglich ist, zu gewährleisten. Daher führt eine Überschreitung einer Höchstmenge in der Regel nicht automatisch zu einem Risiko für Konsumentinnen und Konsumenten.

Die Aufnahme des errechneten Höchstwertes in die Verordnung 396/2005 erfolgt erst, wenn ein gesundheitliches Risiko für den Konsumenten ausgeschlossen werden kann. Bis 1.9.2008 galten innerhalb Europas zum Teil noch unterschiedliche Rückstandshöchstwerte. Der Harmonisierungsprozess für europaweit gültige Höchstwerte ist mit 1.9.2008 durch das Inkrafttreten der Anhänge II, III und IV der Verordnung 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs unmittelbar in der ganzen EU und somit auch in Österreich wirksam. Es gelten somit im ganzen europäischen Wirtschaftsraum die gleichen Höchstmengen. Dadurch werden mögliche Handelsbarrieren für landwirtschaftliche Produkte ausgeräumt und der Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten auf ein einheitliches (hohes) Niveau gestellt.

Pestizidmonitoringberichte

Pestizidrückstände werden im Rahmen eines Kontrollprogrammes, welches durch Verordnungen der Europäischen Kommission für alle Mitgliedsstaaten verbindlich ist, europaweit kontrolliert. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erstellt aus den in den europäischen Staaten gesammelten Daten regelmäßig Berichte, welche zum einen der Information über die Belastung der in der EU verfügbaren Lebensmittel dienen. Zum anderen kann anhand der Daten eine mögliche Gefährdung für Konsumentinnen und Konsumenten beurteilt und dieser vorbeugend, z. B. durch Änderung bestehender Grenzwerte, entgegengewirkt werden.

Das Kontrollprogramm läuft über mehrere Jahre und wird europaweit koordiniert. Die europäischen Staaten erstellen außerdem nationale Kontrollprogramme, welche auch die EU-Kontrollprogramme umsetzen. Die Umsetzung der Kontrolle erfolgt in Österreich in Form von Schwerpunktaktionen (SPA). Dazu wird jährlich in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) ein Probenplan erstellt. Dieser legt detailliert fest, welche Lebensmittelproben in welchem Umfang zu beproben sind, um die tatsächliche Situation realistisch durch Untersuchungen abbilden zu können. Dazu werden statistisch erhobene Verzehrsdaten, die Verfügbarkeit von Lebensmitteln durch Produktion und Import und Erfahrungen früherer Überwachungs- bzw. Kontrollprogramme berücksichtigt.

Die Probenahme erfolgt in ganz Österreich durch Lebensmittelaufsichtsorgane der regionalen amtlichen Lebensmittelaufsicht (Landesbehörden). Neben Lebensmitteln aus konventioneller Erzeugung werden auch Lebensmittel aus ökologischem Anbau überwacht. Da eine Anwendung synthetischer Pflanzenschutzmittelwirkstoffe im ökologischen Landbau auf bestimmte Wirkstoffe eingeschränkt ist, dürfen Lebensmittel aus ökologischem Landbau keine anderen Pflanzenschutzmittelrückstände enthalten.

Situation in Österreich - Nationale Programme zur Kontrolle von Pestizidrückständen  

Gemäß der VO (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.2.2005 über Höchstgehalte an Pflanzenschutzmittelrückständen in/oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates legt Österreich jährlich ein nationales Programm zur Kontrolle von Pflanzenschutzmittelrückständen fest.

Das Programm ist risikobezogen und zielt insbesondere auf die Bewertung der Verbraucherinnen- und Verbraucherexposition und die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften ab. Um Aussagen über die Exposition der Bevölkerung mit Pestiziden treffen zu können, erfolgt die Probenziehung für dieses Kontrollprogramm nach statistischen Gesichtspunkten.

Daher erstellen wir einen entsprechenden Stichprobenplan. Der Stichprobenplan bildet, zusammen mit den Verzehrserhebungen durch das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien, die Grundlage des nationalen Monitoring-Programmes. Die Ergebnisse des Programmes werden der Europäischen Kommission sowie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) übermittelt.

Die Ergebnisse werden in Form der SPA-Abschlussberichte veröffentlicht. Diese finden Sie hier. Die Ergebnisse des nationalen Kontrollprogrammes werden zusätzlich in detaillierterer Form ausgewertet und in einem umfangreichen Bericht veröffentlicht: 

EU Monitoring

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind zur Durchführung von Kontrollen verpflichtet, um sicherzustellen, dass in Verkehr gebrachte Lebensmittel keine Rückstände über den gesetzlichen Grenzwerten enthalten. Die europäischen Überwachungsprogramme stellen zusammengenommen eines der weltweit umfassendsten Programme zur Erhebung von Lebensmitteldaten dar, im Rahmen dessen mehr als 90.000 Lebensmittelproben auf über 800 verschiedene Pestizide analysiert werden.

Das Referat Pestizide der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist für die Erstellung von Jahresberichten über die Kontrolltätigkeit der EU-Mitgliedstaaten sowie der beiden EWR-Länder Norwegen und Island zuständig. Diese Berichte fassen die Ergebnisse der Pestizid-Analysen von Lebensmitteln zusammen, geben Hinweise auf Problembereiche in Bezug auf die Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte und enthalten Abschätzungen der Verbraucherexposition gegenüber Pestizidrückständen durch in Verkehr befindliche Lebensmittel. Darüber hinaus macht die EFSA Vorschläge im Hinblick darauf, wie künftige Kontrollprogramme noch effizienter gestaltet werden könnten.

EU-Pestizidkontrollprogramme

EFSA: Bericht zur Überwachung von Pestizidrückständen

Europäische Kommission: Berichte 1996 bis 2006 zur Überwachung von Pestizidrückständen

Überschreitung des Höchstgehalts

Die Überschreitung eines Höchstgehaltes bedeutet nicht zwingend ein Gesundheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher. Im Falle einer Überschreitung eines gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalts wird zusätzlich geprüft (unter Einbeziehung der Exposition), ob toxikologische Referenzwerte wie ARfD (Akute Referenzdosis) oder ADI (duldbare tägliche Aufnahmemenge) überschritten werden. Erst bei einer gesicherten Überschreitung dieser toxikologischen Referenzwerte kann ein Gesundheitsrisiko für Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr gänzlich ausgeschlossen werden und erst dann ist das Lebensmittel als „nicht sicher - für den menschlichen Verzehr ungeeignet“ oder als „nicht sicher - gesundheitsschädlich“ zu beurteilen.  In diesen Fällen erfolgt eine Meldung an die Lebensmittelaufsicht, das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) und an das europäische Schnellwarnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed), wodurch weitergehende Maßnahmen zum Verbraucherschutz ermöglicht werden.

Risikobewertung

Im Rahmen der eigentlichen Risikobewertung werden die gesundheitsbezogenen Grenzwerte (ADI, ARfD) der möglichen Exposition (Rückstände in Lebensmittel tierischer und pflanzlicher Herkunft) gegenübergestellt. Für die Konsumentinnen und Konsumenten entspricht die Exposition der Aufnahme der zu bewertenden Substanz über die Nahrung.

Für die Risikobewertung von Pflanzenschutzmittelrückständen auf Lebensmitteln gilt, dass auch die im ungünstigsten Fall zu erwartende Aufnahmemenge des Rückstandes über die Nahrung kleiner sein muss als der toxikologische Grenzwert (ADI bzw. ARfD). Dabei wird sowohl eine einmalige Aufnahme (üblicherweise über eine Mahlzeit/Portion) als auch eine lebenslange Aufnahme von Pflanzenschutzmittelrückständen berücksichtigt.

Führt die Abschätzung der Aufnahmemengen zu einer Überschreitung der Wirkstoffmenge, die als kritisch für die Konsumentinnen und Konsumenten angesehen wird, muss dem Risiko durch entsprechende Maßnahmen des Risikomanagements begegnet werden. Dies bedeutet dann beispielsweise eine Verlängerung der Wartezeit, eine Verringerung der Aufwandmenge oder auch die Verweigerung der Zulassung bzw. der Verzicht auf eine Anwendung.

Die Kombinationswirkung von Pflanzenschutzmittel-Rückständen ("cumulative risk assessment") wird international diskutiert. Ein entsprechendes Modell zur Risikoabschätzung für Konsumentinnen und Konsumenten wird zurzeit (noch) nicht für die Festsetzung von Höchstmengen angewendet. Im Konzentrationsbereich, in dem Pflanzenschutzmittel-Rückstände angesiedelt sind, ist eine  kombinatorische Wirkung nicht anzunehmen; es ist lediglich vorstellbar, dass eine additive Wirkung zu beobachten sein könnte. Demnach wurden und werden Wirkstoffgruppen identifiziert, die vergleichbare Effekte auf Organe/Organsysteme im Hinblick auf ihre toxikologischen Eigenschaften aufweisen ("cumulative assessment groups"). Ziel wird es sein, einerseits die Ergebnisse aus Monitoring-Berichten als auch die Resultate aus angelegten Rückstandsversuchen miteinander zu kombinieren, um schlussendlich eine Aussage hinsichtlich eines möglichen Risikos treffen zu können. 

Toxikologische Bewertung

Mögliche gesundheitsgefährdende Eigenschaften von Pflanzenschutzmittel und deren Wirkstoffen sowie Metaboliten werden mit toxikologischen Studien identifiziert. Bei der toxikologischen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln spielen grundsätzlich zwei Expositionsmöglichkeiten eine Rolle, für die unterschiedliche gesundheitsbezogene Grenzwerte ermittelt werden: Menschen können einerseits während der Ausbringung des Pflanzenschutzmittels und bei darauffolgenden Arbeiten am Feld über die Atmung und/oder die Haut in Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln und deren Wirkstoffen kommen. Andererseits können Konsumentinnen und Konsumenten Rückstände von Pflanzenschutzmitteln über die Nahrung aufnehmen. Für die Risikobewertung bei Konsumentinnen und Konsumenten werden anhand der relevanten toxikologischen Studien die folgenden zwei gesundheitsbezogenen Grenzwerte errechnet:

ADI-Wert (Acceptable Daily Intake)

Als Grenzwert für die gesundheitliche Beurteilung der Langzeitaufnahme eines Pflanzenschutzmittelwirkstoffes mit der Nahrung wird der so genannte ADI-Wert herangezogen. Der ADI-Wert definiert jene Substanzmenge, die Konsumentinnen und Konsumenten unter Berücksichtigung aller vorhandenen Kenntnisse täglich und lebenslang ohne erkennbares Risiko für die Gesundheit aufnehmen können.

Akute Referenzdosis (ARfD)

Für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe, die eine hohe akute Toxizität aufweisen und schon bei einmaliger oder kurzzeitiger Aufnahme gesundheitsschädliche Wirkungen im Tierversuch zeigen, wurde neben dem ADI-Wert die akute Referenzdosis (ARfD) eingeführt. Die akute Referenzdosis definiert jene Substanzmenge, die über die Nahrung innerhalb eines Tages oder mit einer Mahlzeit aufgenommen werden kann, ohne dass daraus ein erkennbares Gesundheitsrisiko für Konsumentinnen und Konsumenten resultiert.

Rückstandsdefinition (Art der Rückstände)

Das Abbauverhalten von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen wird durch Metabolismusstudien an Pflanzen und Tieren untersucht. Dabei werden auch etwaige Metaboliten (Abbauprodukte des Wirkstoffes) identifiziert. Ergebnis dieser Untersuchungen ist die Rückstandsdefinition: In welcher Form tritt der Wirkstoff im Ernteprodukt bzw. im tierischen Lebensmittel auf.

Die Rückstandsdefinition ist die Basis für die Festsetzung der Rückstandshöchstmengen, die Entwicklung geeigneter Analysemethoden für die Kontrolle von Ernteprodukten sowie die Risikoabschätzung.

Bestimmung der Menge der Rückstände in Versuchen

Die Höhe der Rückstände, die nach einer Pflanzenschutzmittelanwendung am Erntegut zu erwarten sind, wird mittels Feldstudien an Kulturpflanzen und Fütterungsversuchen mit landwirtschaftlichen Nutztieren bestimmt. Dabei werden die Kulturen, für die die Zulassung des Pflanzenschutzmittels beantragt wurde, mit dem Pflanzenschutzmittel behandelt bzw. Tiere mit Futter, das die zu erwartende Menge an Rückständen enthält, gefüttert.

Basierend auf den Ergebnissen der Rückstandsversuche wird mittels statistischer Berechnungsverfahren ein Höchstwert (Rückstandshöchstgehalt, Höchstmenge; MRL – Maximum Residue Level) für den betreffenden Pflanzenschutzmittelwirkstoff und/oder seiner Metaboliten ermittelt.

Weiters wird der Einfluss der Verarbeitung auf die Art und Menge von Rückständen untersucht. Einerseits wird ermittelt,  ob zusätzliche Metaboliten im Verarbeitungsprodukt gebildet werden können. Weiters werden auf Basis von Verarbeitungsstudien (Beispielsweise Getreide zu Brot, Trauben zu Wein, Hopfen zu Bier) die sogenannten Verarbeitungsfaktoren („processing factor“) abgeleitet, die Auskunft darüber geben, inwieweit eine Reduktion der Rückstände (Verdünnung) bzw. eine Konzentrierung der Rückstände (zum Beispiel durch Trocknung) erfolgt. Auch diese Prozesse finden in der Risikobewertung Eingang.

Auch wird im Rahmen des Zulassungsverfahrens die Rückstandsssituation in möglichen nachzubauenden Kulturen (Fruchtfolge) bewertet; so kann es durchaus möglich sein, dass Höchstmengen (MRLs) für Kulturen abgeleitet werden müssen, die nicht direkt mit dem Pflanzenschutzmittel behandelt werden (Aufnahme von Rückständen aus dem Boden).

Kontakt

Leitung

Dr. Patrick Breinhölder

Aktualisiert: 20.09.2024