Moderhinke
Dichelobacter nodosus
Steckbrief
Die Moderhinke ist eine hochansteckende und schmerzhafte Klauenerkrankung bei Schafen und Ziegen. Die Krankheit wird durch das Bakterium Dichelobacter nodosus verursacht.
Vorkommen
Weltweit
Wirtstiere
Vor allem Schafe, seltener auch Ziegen sowie Wildwiederkäuer (Rotwild, Muffelwild, Gämsen und Steinwild)
Infektionsweg
Indirekte Übertragung über den Boden, über kontaminierte Transportfahrzeuge bzw. Triebwege
Inkubationszeit
In trockener Umgebung wenige Tage, auf feuchten Böden bis zu 42 Tage
Symptomatik
Lahmheit („Stützbeinlahmheit“), auf den Vorderextremitäten kniendes Fressen zur Entlastung der schmerzhaften Klauen, verminderte Futteraufnahme, Abmagerung, Wollschäden
Therapie
Trennung gesunder und erkrankter Tiere, regelmäßige Klauenpflege und Klauenbäder, antiseptischer Wundspray, antibiotische Behandlung
Vorbeugung
Regelmäßige Klauenpflege/-hygiene, mehrwöchige Quarantäne und Isolierung zugekaufter Tiere, Impfung
Situation in Österreich
Genaue Daten zur Verbreitung der Moderhinke in Österreich sind nicht verfügbar.
Fachinformation
Die Moderhinke ist eine hochansteckende und schmerzhafte Klauenerkrankung beim kleinen Wiederkäuer. Sie ist durch entzündliche Veränderungen im Klauenbereich und daraus resultierender Stützbeinlahmheit gekennzeichnet. Die Moderhinke ist in der Nutztierhaltung von Schafen mit erheblichen ökonomischen Schäden verbunden. Primärerreger der Moderhinke ist das gramnegative anaerobe Bakterium Dichelobacter nodosus (D. nodosus), das in einer gutartigen (benignen) oder bösartigen (virulenten) Variante auftritt. Nur die virulente Variante des Bakteriums führt zur vollen Ausprägung der Moderhinke.
Die Moderhinke ist hochansteckend und führt dadurch zu einer besonders schnellen Ausbreitung innerhalb der Herde. Auf kontaminierten Weiden breitet sich der Erreger durch indirekte Übertragung über den Boden auf immer mehr Tiere aus. Auch scheinbar gesunde Tiere können D. nodosus übertragen. Über kontaminierte Transportfahrzeuge bzw. Triebwegen kann ebenfalls eine Ansteckung erfolgen. Für die Infektion und die daraus folgende klinische Ausprägung sind neben der Virulenz der beteiligten Erregerstämme vor allem die Feuchtigkeit, Temperaturen über 10 °C, mangelhafte Klauenpflege, Klauenläsionen und die oben genannten Sekundärinfektionen ausschlaggebend. Eine Verschleppung des Erregers in nicht infizierte Betriebe ist möglich.
Der Erreger Dichelobacter nodosus hat auf Weiden und im Boden eine begrenzte Lebensdauer von rund 14 Tagen. Er überlebt in trockener Umgebung nur kurz, sodass ein Infektionsrisiko schon nach wenigen Tagen ausgeschlossen werden kann. Auf feuchten Böden jedoch kann das Bakterium bis zu 42 Tage, unter günstigen Bedingungen sogar bis zu 6 Monate, überleben. In Klauenhorn und in erkrankten Klauen kann der Erreger bis zu 3,5 Jahre nachgewiesen werden.
Symptomatik
Bei der Klinik der Moderhinke gibt es verschiedene Krankheitsstufen. Das Ausmaß der Läsionen wird durch die Definition der Moderhinkestadien in die Grade 1-5 eingeteilt. Grundsätzlich können sämtliche Verlaufsformen gleichzeitig in einer Herde vorkommen:
Grad | Kennzeichen | Dauer |
0 | Klauenspalt ohne Veränderungen, behaart | |
1 | Entzündungen der Haut im Klauenspalt, Rötung | |
2 | schmierige, stinkende Belege im Klauenspalt | 3-4 Tage |
3 | Ablösung von Ballenhorn und Innenwand | |
4 | Ausdehnung auf gesamte Sohle und Außenwand | 7-14 Tage |
5 | Ausdehnung bis zur Spitze, Ausschuhen | > 21 Tage |
Definition der Moderhinkestadien nach H. Strobel 2018
Die Anfangsstadien sind von einer einfachen Klauenspaltentzündung ohne Beteiligung von D. nodosus nicht zu unterscheiden. Beginnend mit einer Entzündung im Zwischenklauenspalt, der Dermatitis interdigitalis, kommt es zu einer fortschreitenden Entzündung und Schädigung des Klauenhornes. Das Horn ist unterschiedlich stark von der Klauenlederhaut abgelöst; zwischen beiden befindet sich oftmals eine übel riechende, grauweißlich schmierige Masse als Produkt des Eiterungsprozesses. Schwere Fälle sind gekennzeichnet durch Sohlendurchbrüche und Ausschuhen.
Typische Symptome sind Lahmheit („Stützbeinlahmheit“) und das auf den Vorderextremitäten kniendes Fressen zur Entlastung der schmerzhaften Klauen. Betroffene Tiere liegen vermehrt und es kommt in Folge zu verminderter Futteraufnahme, Abmagerung, Wollschäden und Leistungsdepression.
Therapie
Moderhinke ist eine schmerzhafte Erkrankung und muss in Hinblick auf Tierschutz behandelt werden. Maßnahmen sind sowohl beim Nachweis der benignen Infektion als auch bei der virulenten Infektion von D. nodosus notwendig, da auch bei der gutartigen Form akute Schmerzen verbunden mit Leistungseinbußen auftreten. Hinsichtlich der Therapie haben sich unter anderem durch die Neuzulassung von Medikamenten entscheidende Änderungen ergeben.
- Trennung gesunder und erkrankter Tiere
- Chirurgische Behandlungen wie restloses Entfernung des betroffenen veränderten Klauenhorns und der eitrigen Masse durch Ausschneiden sind aufgrund des langwierigen Gesundungsprozesses und der Schmerzhaftigkeit problematisch. Grundsätzlich sind beim Klauenschnitt blutende Verletzungen zu vermeiden. Verbände sollten aufgrund des idealen feuchtwarmen, anaeroben Mikroklimas (fördert das Bakterienwachstum!) täglich gewechselt werden. Die sichere Beseitigung nekrotischer Abfälle nach chirurgischen Behandlungen ist aufgrund der Infektionsgefahr durch bakteriell verkeimte Wundabfälle notwendig!
- Versorgung der betroffenen Klauen mit antiseptischem Wundspray und/oder Klauenbädern (z. B. mit Zinksulfat)
- Antibiotischer Allgemeinbehandlung schwer erkrankter Tiere
- Nachkontrolle und Nachbehandlung in regelmäßigen Abständen bis zur Heilung
- Impfung wirkt sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch. Die Impfung allein reicht zur Herdensanierung nicht aus.
Bei der Moderhinke handelt es sich um eine Herdenerkrankung. Die ausschließliche Behandlung einzelner erkrankter Tiere ist daher nicht ausreichend. Für eine erfolgreiche Bekämpfung der Moderhinke ist eine Herdensanierung erforderlich.
Um Erfolg in der Herdensanierung zu erzielen, müssen folgende Kriterien erfüllt werden:
- Alle Tiere müssen in die Behandlung einbezogen werden
- Alle akuten Klaueninfektionen müssen innerhalb der ersten Tage behandelt werden
- Alle behandelten Tiere müssen bis zur vollständigen Heilung nachuntersucht werden
- Alle gesunden Tiere müssen geschützt werden, sobald akute Fälle auftreten
Bei Einzeltieren sollte nach Behandlung eine deutliche Besserung der Lahmheitssymptome innerhalb weniger Tage eintreten. Die vollständige Abheilung nimmt in der Regel ebenso viel Zeit in Anspruch wie der Krankheitsverlauf vor der Therapie.
In der Herde ist es notwendig, alle Tiere zeitgleich zu untersuchen und zu behandeln: Infizierte Tiere werden systematisch antibiotisch behandelt; gesunde Tiere durch Vorsorgemaßnahmen (Klauenbäder) geschützt.
Durch unterschiedliche Farbmarkierungen und/oder örtlicher Trennung von gesunden und erkrankten Tieren ist es möglich den weiteren Verlauf der Krankheit in der Herde zu beobachten. Regelmäßige Herdenbehandlungen können zur Moderhinkefreiheit führen, wenn es über Jahre gelingt, die Zahl latent infizierter Tiere kontinuierlich zu senken. Die Tiere müssen nach der Genesung auf eine Weide gebracht werden, die mindestens ein halbes Jahr nicht benutzt wurde, um eine Neuansteckung der gereizten Klauen zu vermeiden. Sind Tiere einer Herde in Kontakt mit der Wildtierpopulation ist dies jedoch nur schwer möglich.
Diagnostik
Die Anwendung molekularbiologischer Verfahren ermöglicht nicht nur die rasche Bearbeitung einer Probe und die Typisierung des spezifischen Moderhinkeerregers Dichelobacter nodosus, sondern auch die Erfassung von subklinisch infizierten Tieren, was für eine Bestandskontrolle von großer Wichtigkeit ist. Mit Hilfe der PCR-Untersuchung von Tupferproben des Zwischenklauenspaltes kann festgestellt werden, ob eine Infektion mit der benignen oder der virulenten Form von D. nodosus vorliegt. In der Routinediagnose ist bei einem eindeutigen Bild in der Regel keine Anzüchtung des Erregers erforderlich. Mikroskopisch lassen sich die Stäbchenbakterien von Dichelobacter nodosus anhand der Gramfärbung darstellen.
Differentialdiagnostisch zu berücksichtigen sind unter anderem:
- traumatische Lahmheitssyndrome (z. B. Wand-, Sohlen-, Spitzenabszesse, Fremdkörperverletzungen, Hämatome)
- Klauenspaltenzündungen (Dermatitis interdigitalis)
- atypische Klauenentzündungen (wie z. B. CODD (contagious ovine digital dermatitis), die podale Form des Lippengrindes oder Infektionen durch Prevotella sp. und Fusobacterium necrophorum)
- Panaritium (Fußabszeß, „Hitzfuß“)
- Rotlauf
- Blauzungenerkrankung
- Maul- und Klauenseuche
Untersuchungsmaterial:
- Kunststofftupferproben des Zwischenklauenspaltes (ohne Medium)
Kontakt
Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Linz
- vetmed.linz@ages.at
- +43 50 555-45111
-
4020 Linz
Wieningerstraße 8
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Aktualisiert: 10.10.2023