Listerien
Listeria monocytogenes
Steckbrief
Listerien sind Bakterien. Sie sind die Erreger der Listeriose, einer seltenen, hauptsächlich durch Lebensmittel übertragenen Erkrankung.
Vorkommen
Listerien sind in der Umwelt weit verbreitet, z. B. in Abwässern, in der Erde und auf Pflanzen. Lebensmittel tierischer Herkunft wie Rohmilch und Rohmilchprodukte sowie rohes Fleisch, aber auch Fleisch- und Fischprodukte wie aufgeschnittene, abgepackte Wurst und Räucherfisch können Listerien enthalten. Aus pasteurisierter Milch hergestellte Produkte wie Schmier- oder Weichkäse können während der Herstellung kontaminiert werden.
Erregerreservoir
L. monocytogenes kann häufig in der Umwelt, im Boden und Wasser gefunden werden. Tiere können den Erreger zwar ohne zu erkranken in sich tragen, es kann aber auch zu symptomatischen Verläufen kommen (z. B. durch Listerien verursachte Fehlgeburten bei Wiederkäuern). Lebensmittelverarbeitende Betriebe können ein Reservoir für diese Erreger darstellen, in deren Folge (weiter-)verarbeitete Nahrungsmittel kontaminiert werden. Auf Grund ihrer Fähigkeit zu Wachstum auch bei niedrigen Temperaturen vermehren sich Listerien sogar im Kühlschrank; daher können kontaminierte Lebensmittel nach Lagerung im Kühlschrank hohe Keimzahlen enthalten.
Infektionsweg
Listerien werden hauptsächlich durch den Verzehr von kontaminierten tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln aufgenommen. Sehr selten findet auch eine Weiterverbreitung durch Übertragung von Mensch zu Mensch (Krankenhausinfektionen von Neugeborenen) sowie durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren (Hautinfektionen) statt.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit ist je nach Erkrankungserscheinung unterschiedlich: Sie beträgt in der Regel bei gastrointestinaler Symptomatik wenige Stunden bis zu sechs Tage, bei septikämischen Verläufen 1-12 Tage (Median 2 Tage) und bei neuroinvasiven Manifestationen 1-14 Tage (Median 9 Tage). Bei schwangerschaftsassoziierten Fällen muss von längeren Inkubationszeiten ausgegangen werden: 17-67 Tage (Median 27,5 Tage).
Symptomatik
Im Allgemeinen schützt das menschliche Immunsystem ausreichend gegen schwere Krankheitsverläufe und viele Infektionen vergehen praktisch unbemerkt und ohne Folgen. Bei gesunden Erwachsenen verläuft eine Infektion meist ohne Krankheitszeichen oder nur mit Durchfall. Schwere Erkrankungen betreffen hauptsächlich immungeschwächte Menschen (z. B. an Krebs Erkrankte, Patient:innen unter hochdosierter Cortisontherapie etc.), ältere Personen und Schwangere. Wird eine Listeriose diagnostiziert, liegt fast immer ein invasiver Krankheitsverlauf vor, das bedeutet, dass die Bakterien jenseits des Verdauungstraktes streuen. Die invasive Listeriose äußert sich durch heftige Kopfschmerzen, starkes Fieber, Übelkeit und Erbrechen. In der Folge kann es zu Hirn- bzw. Hirnhautentzündung oder Sepsis (Blutvergiftung) kommen, die häufig tödlich enden. Die Erreger können aber auch an anderen Körperstellen entzündliche Prozesse verursachen (z. B. Eiteransammlungen im Bereich der Wirbelsäule oder in Gelenken), diese Folgen werden aber selten beobachtet. Bei Schwangeren besteht die Gefahr einer Infektion des ungeborenen Kindes mit dem Risiko, dass es zu einer Früh- oder Totgeburt kommt. Beim infizierten Neugeborenen können sich Sepsis und Meningitis entwickeln.
Therapie
Bei invasiver Listeriose ist die Gabe von Antibiotika erforderlich. Dennoch verlaufen trotz gezielter Therapie bis zu 30 % der invasiven Listeriosen tödlich.
Vorbeugung
Allgemeine Grundregeln, um das Risiko von Lebensmittelinfektionen zu minimieren: Früchte, Beeren, Gemüse und vorgeschnittene verpackte Blattsalate vor Verzehr oder Weiterverarbeitung gründlich mit Leitungswasser abspülen, Fleisch- und Fischgerichte gründlich durchgaren, Rohmilch vor Verzehr abkochen, Faschiertes nicht roh essen, mögliche Risikolebensmittel wie Weichkäse, Schmierkäse, aufgeschnittene Wurstwaren oder geräucherte Fische immer getrennt von anderen Lebensmitteln lagern. Immungeschwächte Menschen, Schwangere und Alte sollten auf den Verzehr möglicher Risikolebensmittel verzichten und keinesfalls nach Ablauf der Mindesthaltbarkeit verspeisen.
Situation in Österreich
Mensch
2023 wurden 37 laborbestätigte Fälle an invasiver Listeriose an das Epidemiologische Meldesystem (EMS) gemeldet. Die 28-Tage-Letalität (= Gesamtletalität innerhalb von 28 Tagen nach Diagnosestellung) bei den invasiven Listeriosen betrug 8,11 % (3 von 37 Fällen). Keiner der Fälle war schwangerschaftsassoziiert. In der nationalen Referenzzentrale für Listeriose wurden 34 Isolate typisiert. Die folgende Tabelle beinhaltet Zahlen, die für das jeweilige Jahr im EMS gemeldet wurden.
Listeriose-Fälle in Österreich
Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche
Im Jahr 2023 wurde in Österreich ein allgemeiner lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch (LMbKA) verursacht durch Listeria monocytogenes Sg IVb/ST6/CT90 ins EMS eingemeldet: Drei Personen waren betroffen, zwei davon mussten im Krankenhaus aufgenommen werden. Das konsumierte Lebensmittel war gekochter Schweinespeck von einem österreichischen Produzenten. In den vergangenen zehn Jahren wurden 14 Ausbrüche durch Listerien dokumentiert. Pro Jahr werden generell zwischen keinem und zwei durch Listerien verursachte Krankheitsausbrüche gemeldet, im Jahr 2022 waren es jedoch fünf.
Lebensmittel
Im Jahr 2023 wurden bei den amtlichen Untersuchungen nach Probenplan ca. 3.500 Lebensmittelproben auf Listerien untersucht. In 78 Proben wurden humanpathogene L. monocytogenes gefunden, wobei bei 12 Proben der Wert bei unter 100 KBE/g und bei vier Proben über 100 KBE/g lag.
Eine Auswahl der untersuchten Lebensmittelgruppen (gerundet):
- 1.200 Proben verzehrsfertige Lebensmittel
- 800 Proben Milch und Milchprodukte
- 760 Proben Fleisch und Fleischzubereitungen
- 200 Proben Backwaren
- 140 Proben Fische und Fischerzeugnisse
- 160 Proben Speiseeis
- 150 Proben Obst und Gemüse(erzeugnisse)
- 150 Proben verpackte Fertiggerichte
Tier
In den meisten Fällen wird L. monocytogenes nicht über das Tier, sondern über die unbelebte Umwelt bei der Verarbeitung in das Lebensmittel eingebracht. Eine Überwachung des Tierbestandes auf Listerien gilt deshalb nicht als zweckmäßig. Bei Rohmilch gilt die Verunreinigung mit Kot als häufigste Eintragsquelle, vereinzelt wurde eine direkte Keimeinbringung über eine Mastitis belegt.
Fachinformation Humanmedizin
Der kulturelle Erregernachweis aus Blut, Liquor, Eiter, Punktaten oder (bei Neugeborenen) Abstrichen von Nabel, Ohr oder Mekonium ist anzustreben. Der Nachweis von Listerien erfolgt mittels standardisierten qualitativen, quantitativen sowie molekularbiologischen Methoden. Eine PCR aus Liquor kann eingesetzt werden, falls nach antibiotischer Vorbehandlung der kulturelle Erregernachweis nicht gelingt. Serologische Untersuchungen sind schlecht zu interpretieren, da Kreuzreaktionen bei Gesunden und fehlende Antikörpernachweise trotz Infektion häufig sind. Fast 90 % der erkrankten Menschen sind mit den drei Serovaren 4b, 1/2a und 1/2b assoziiert.
Unser Labordiagnostisches Leistungsspektrum:
Nationale Referenzzentrale für Listeriose
Nationales Referenzlabor für Listeria moncytogenes
Meldepflicht: Gemäß § 1 Epidemiegesetz 1950 sind Listerien als Erreger der bakteriellen Lebensmittelvergiftung oder als Erreger invasiver bakterieller Erkrankungen (Sepsis, Meningoenzephalitis) meldepflichtig. Für die Meldung von schwangerschaftsassoziierten Listeriosefällen gilt zudem seit Juni 2013: Zu melden ist jede Fehl- oder Totgeburt aufgrund einer schwangerschaftsassoziierten Listerioseerkrankung der Mutter. Die Listerioseerkrankung der Mutter ist als gesonderter, meldepflichtiger Fall zu betrachten.
Fachinformation Lebensmittelsicherheit
Keimreservoir Lebensmittel
Sofern keine Oberflächenkontamination oder nachträgliche Kontamination nach Öffnung der Verpackung erfolgt, sind einige Lebensmittel weitestgehend frei von Listerien: Bei unbehandelten Lebensmitteln, z. B. bei Karotten, Tomaten und saurem Obst wie Äpfel und Birnen ist das Risiko äußerst gering, zumal wenn durch Waschen oder Schälen eine eventuelle Oberflächenkontamination entfernt wurde.
Eine Kontamination von Lebensmitteln mit Listerien kann auf verschiedenen Stufen der Gewinnung und Bearbeitung erfolgen. Insbesondere Lebensmittel tierischer Herkunft wie Rohmilch und rohes Fleisch können bereits während der Gewinnung, z. B. beim Melken oder beim Schlachten, kontaminiert werden. Bei Käse, der aus unpasteurisierter Rohmilch hergestellt wird, ist eine Kontamination der Ausgangsmilch als Ursache für das Vorkommen von Listerien im Endprodukt nicht auszuschließen. Bei Käse, der aus wärmebehandelter Milch hergestellt wird, werden die Listerien bei der Pasteurisierung abgetötet. Bei mangelnder Hygiene im Bearbeitungsprozess ergeben sich jedoch nach der Wärmebehandlung erneute Kontaminationsmöglichkeiten für das Produkt. Meist erfolgt die für eine Infektionsübertragung relevante Kontamination von Käse erst bei der Reifung über eine Besiedelung der Rinde. In Käsesorten mit einer weichen, schmierigen Rinde können sich Listerien dann im Laufe der Reifung massiv vermehren. Sie sind oft nicht gleichmäßig über die gesamte Fläche, sondern vielmehr in Mikrokolonien punktuell verteilt.
Die Überlebens- und Vermehrungsfähigkeit von Listerien in Lebensmitteln ist von der technologischen Behandlung bzw. dem Herstellungsverfahren abhängig. Kochen, Braten, Sterilisieren und Pasteurisieren tötet die Bakterien ab. In Lebensmitteln, die wenig Wasser, viel Salz oder Konservierungsstoffe enthalten, oder die sehr sauer sind (z. B. Sauerkraut, Mixed Pickles und Joghurt), ist eine Vermehrung nur noch verzögert oder überhaupt nicht mehr möglich. Gute Wachstumsmöglichkeiten im Vergleich zu konkurrierenden Keimen haben Listerien bei reduziertem Sauerstoffangebot (z .B. in Vakuumverpackungen von Brühwürsten, Lachs und Räucherfisch) und langen Lagerzeiten der Lebensmittel unter Kühlung.
Nationales Referenzlabor für Listerien: Untersuchungen von Isolaten aus Lebensmittel- und Umweltproben
Die eingelangten Isolate werden mittels Ganzgenomsequenzierung typisiert (Van Walle et al. 2015). Zur Abklärung epidemiologischer Fragestellungen wie etwa der Bestätigung eines lebensmittelbedingten Listerioseausbruchs werden die Sequenzen mittels core genome MLST (cgMLST) Analyse ausgewertet (Rupptisch et al. 2015). Diese in-house Methode wurde 2015 gemeinsam mit der Uniklinik Münster und Ridom Bioinformatics entwickelt und findet seitdem internationale Verwendung (Van Walle et al. 2018). Das cgMLST Schema ist in der Software Ridom SeqSphere+ integriert. Zur Typisierung werden 1.701 definierte Zielsequenzen analysiert und über einen Nomenklaturserver abgeglichen (https://www.cgmlst.org/ncs/schema/690488).
Publikationen:
Van Walle I, Torgny Björkman J, Cormican M, Dallman T, Mossong J, Moura M, Pietzka A,
Ruppitsch W, Takkinen J, European Listeria WGS typing group. Retrospective validation of whole genome sequencing enhanced surveillance of listeriosis in Europe, 2010 to 2015. Euro Surveill. 2018;23(33):pii=1700798. https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2018.23.33.1700798
Van Walle I, Pietzka A, Moller Nielsen E, Takkinen J, Damjanova I, Michelacci V, Mossong J, Eelco F, Van Pelt W, Wolkowitz T, Borges, V, Jernberg C, Fisher I, Peters T, Agren J, Rizzi V, Da Silva Felicio MT, Struelns M, Palm D. European Centre for Disease Prevention and Control. Expert Opinion on the introduction of next-generation typing methods for food- and waterborne diseases in the EU and EEA. Stockholm: ECDC; 2015. Technical Report · October 2015. ISBN 978-92-9193-723-3; doi 10.2900/453641; catalogue number TQ-02-15-849-EN-N.
Ruppitsch W, Pietzka A, Prior K, Bletz B, Lasa Fernandez H, Allerberger F, Harmsen D, Mellmann A. Defining and evaluating a core genome MLST scheme for whole genome sequence-based typing of Listeria monocytogenes. J Clin Microbiol. 2015;53(9):2869-76. doi:10.1128/JCM.01193-15.
Kontakt
Leitung Referenzzentrale
Dr. Sonja Pleininger MSc
- humanmed.wien@ages.at
- sonja.pleininger@ages.at
- +43 50 555-37111
-
1090 Wien
Währingerstraße 25a
Leitung Referenzlabor
Mag. Dr. Ariane Pietzka
- ariane.pietzka@ages.at
- +43 50 555-61269
-
8010 Graz
Beethovenstraße 6
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Aktualisiert: 03.10.2024