Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche
Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten hygienisch einwandfreie Lebensmittel und die Lebensmittelindustrie legt großen Wert auf die Qualität ihrer Produkte. Erkranken Menschen dennoch durch den Verzehr von mit Krankheitserregern verunreinigten Lebensmitteln, sollte versucht werden, die Ursachen herauszufinden.
In Einzelfällen ist es in der Regel nicht möglich, die Ursache der Krankheit in der Vielfalt der verzehrten Lebensmittel zu finden. Bei Gruppenkrankheiten, so genannten lebensmittelbedingten Ausbrüchen, besteht jedoch eine bessere Chance, das Lebensmittel zu finden, das als Übertragungsvehikel für den Krankheitserreger diente, indem charakteristische Ähnlichkeiten zwischen den Fällen herausgearbeitet werden.
Definition: Ein lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch wird im Zoonosengesetz 2005 wie folgt definiert: Das unter gegebenen Umständen festgestellte Auftreten einer mit demselben Lebensmittel oder mit demselben Lebensmittelunternehmen in Zusammenhang stehenden oder wahrscheinlich in Zusammenhang stehenden Krankheit und/oder Infektion in mindestens zwei Fällen beim Menschen oder eine Situation, in der sich die festgestellten Fälle stärker häufen als erwartet.

Situation 2021
Im Jahr 2021 wurden insgesamt 20 lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche gemeldet, um einer weniger als im Jahr 2020. In Summe waren 92 Personen von den Ausbrüchen betroffen, etwas mehr als 2020 (67 Personen) jedoch deutlich weniger als 2019 (793 Personen). 27 Personen mussten in Verbindung mit den Ausbrüchen hospitalisiert werden (2020: 17, 2019: 159), es gab zwei Todesfälle (2020: kein Todesfall, 2019: ein Todesfall). Bei fünf Ausbrüchen handelt es sich um allgemeine Ausbrüche im Gegensatz zu 15 Haushaltsausbrüchen.
Als häufigstes Ausbruchsagens trat Salmonella in Erscheinung (neun Ausbrüche, 61 Betroffene). An zweiter Stelle liegt Campylobacter (sechs Ausbrüche, 12 Fälle), danach folgen vier Ausbrüche durch STEC (14 Fälle) und einer durch Listeria monocytogenes (fünf erkrankte Personen, zwei Todesfälle) zurückzuführen.
Der größte lebensmittelbedingte Ausbruch in Österreich im Jahr 2021 wurde von der monophasischen Variante von S. Typhimurium (MLVA Profil 3-10-7-18-0311) verursacht, wobei 31 Personen erkrankten und zehn davon hospitalisiert werden mussten. Es konnte ein Bezug zu verschiedenen Speisen einer Gaststätte und den Tieren im angrenzenden Streichelzoo hergestellt werden. Ein Ausbruch war Teil eines internationalen Ausbruchs mit 348 Erkrankungsfällen, verursacht durch S. Braenderup in Verbindung mit dem Verzehr von importierten Galia-Melonen aus Honduras. In Österreich waren 11 Personen davon betroffen, sieben davon mussten im Krankhaus aufgenommen werden.
Beim Listerioseausbruch durch L. monocytogenes IIa ST511 CT4383 infizierten sich fünf Personen bei der Konsumation von Fleischprodukten eines Schlachtbetriebes, zwei davon starben. Ein Ausbruch mit zwei Personen wurde durch Campylobacter jejuni verursacht. Das kontaminierte Lebensmittel war ungekochtes Hühnerfleisch aus der Europäischen Union stammend. Drei Ausbrüche waren im Ausland erworben, zwei durch S. Enteritidis, einer nach Aufenthalt in Rumänien und einmal unbekannt, sowie einer durch STEC (Aufenthalt Türkei).
Jahr | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
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lebensmittelbedingte Ausbrüche | 609 | 438 | 368 | 351 | 193 | 232 | 122 | 133 | 96 | 78 | 80 | 69 | 52 | 48 | 21 | 20 |
- davon durch Salmonellen | 452 | 305 | 223 | 208 | 98 | 100 | 53 | 44 | 47 | 34 | 37 | 31 | 21 | 17 | 7 | 9 |
- davon durch Campylobacter | 137 | 108 | 118 | 120 | 82 | 116 | 61 | 58 | 40 | 32 | 40 | 24 | 24 | 22 | 10 | 6 |
Anzahl der Erkrankten (in Verbindung mit lebensmittelbedingten Ausbrüchen) | 2.530 | 1.715 | 1.376 | 1.330 | 838 | 789 | 561 | 568 | 790 | 333 | 436 | 227 | 222 | 793 | 67 | 92 |
- in Verbindung mit Ausbrüchen Erkrankte je 100.000 Bewohner | 30,7 | 20,7 | 16,5 | 15,9 | 10,0 | 9,4 | 6,7 | 6,7 | 9,3 | 3,9 | 5,0 | 2,6 | 2,5 | 9,0 | 0,7 | 1,0 |
- davon im Krankenhaus behandelt | 493 | 286 | 338 | 223 | 155 | 179 | 97 | 108 | 121 | 86 | 68 | 56 | 58 | 159 | 17 | 27 |
- Anzahl der Todesfälle | 3 | 1 | 0 | 6 | 2 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 2 | 0 | 1 | 0 | 2 |
Arten von Ausbrüchen
Auf Basis des österreichischen Zoonosengesetzes sammeln wir jährlich die Ausbruchsdaten und leiten diese an die EU weiter. Für diese Berichterstattung ergeben sich bestimmte Klassifizierungen: Ausbrüche, bei denen nur Mitglieder eines einzigen Haushaltes betroffen sind, werden als Haushaltsausbruch gewertet. Sind Personen aus mehreren Haushalten betroffen, wird dies als allgemeiner Ausbruch gezählt. Den Großteil machen jedes Jahr Haushaltsausbrüche aus, weil es häufig nicht gelingt, Erkrankungsfälle verschiedener Haushaltsausbrüche epidemiologisch durch Identifizierung eines einzigen ursächlichen Lebensmittels miteinander in Verbindung zu setzen. Im Jahr 2021 wurden 75 % aller Ausbrüche als Haushaltsausbrüche klassifiziert.
Ausbruchsabklärung
Das Ziel der Ausbruchserhebung ist es, nicht nur den gerade stattfindenden Ausbruch zu stoppen, sondern vor allem derartige Erkrankungen in der Zukunft generell zu verhindern.
Durch detaillierte und systematische Suche kann es gelingen, sowohl das Infektionsvehikel, also jenes Lebensmittel, welches das infektiöse Agens zum Menschen übertrug, und das Reservoir, das den Lebensraum darstellt, in dem ein infektiöses Agens normalerweise lebt, ausfindig zu machen. Nur dann ist es möglich, zielgerichtete und sinnvolle Interventionen zu setzen. Diese Maßnahmen sollen darin resultieren, dass die Ausbruchsursache, nämlich der Infektionserreger, aus der Lebensmittelkette eliminiert wird und die Konsumenten diesem Agens nicht mehr ausgesetzt sind.
Schön zeigt sich das präventivmedizinische Potential einer Ausbruchsabklärung an folgendem historischen Beispiel: Im Juli 2004 ist es gelungen, einen lebensmittelbedingten Ausbruch, verursacht durch Salmonella Enteritidis Phagentyp 36, einem in Österreich sehr seltenen Salmonellentypen, von dem 38 Personen in vier Bundesländern betroffen waren, abzuklären und auf eine Legehennenherde zurückzuführen. Die Herde wurde ausgemerzt, der Betrieb gründlich gereinigt und desinfiziert; anschließend wurden neue Legehennen eingestallt. Aufgrund dieser getroffenen Maßnahmen ist in Österreich seitdem kein einziger weiterer Erkrankungsfall durch Salmonella Enteritidis Phagentyp 36 bekannt geworden.
Über das EMS, ein flächendeckendes Surveillance-System, werden seit 2009 bakterielle und virale Lebensmittelinfektionen und -vergiftungen gemeldet. Diese Meldezahlen müssen jedoch differenziert betrachtet werden: Zahlreiche Faktoren können zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Erkrankungszahlen führen („underdetection/underreporting“). Je nach Erreger ist die Datenlage oft unterschiedlich gut: Für Salmonellen beispielsweise liegen Daten aus europaweiten Grundlagenstudien, Überwachungs- und Bekämpfungsprogrammen vor. Der Rückgang von Salmonellose-Erkrankungen ist ein Effekt von Maßnahmen, die aufgrund dieser Datenlage durchgeführt werden. Toxoplasmose hingegen ist nicht meldepflichtig, obwohl neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf einen Zusammenhang mit Lebensmittel hinweisen. All diese Faktoren müssen bei der Einschätzung der tatsächlichen Bedeutung einer Krankheit für die öffentliche Gesundheit berücksichtigt werden.
Durchführung
Gemäß den Bestimmungen des Epidemiegesetzes haben die lokal zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde durch die ihnen zur Verfügung stehenden Amtsärztinnen und Amtsärzte über jede Anzeige sowie über je den Verdacht des Auftretens einer anzeigepflichtigen Krankheit – und damit auch im Falle von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen – unverzüglich die zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten. Darüber hinaus verpflichtet das Zoonosengesetz 2005 die jeweils zuständigen Behörden, lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche zu untersuchen und soweit möglich dabei angemessene epidemiologische und mikrobiologische Untersuchungen durchzuführen.
Die Behörden haben dabei die Möglichkeit Experten hinzu zu ziehen. Eine bloße Verstärkung von ungezielten Lebensmittelbeprobungen hat sich in der Vergangenheit wiederholt als nicht zielführend erwiesen. Bei vielen Ausbrüchen steht zum Zeitpunkt der Erhebungen das ursächliche Lebensmittel (bzw. die betroffene kontaminierte Charge des ursächlichen Produkts) für mikrobiologische Untersuchungen nicht mehr zur Verfügung.
Eine epidemiologische Studie kann in diesen Fällen Erkenntnisse bringen, die präventive Maßnahmen zur Vermeidung ähnlicher Zwischenfälle in der Zukunft ermöglichen. Die gewonnenen Erkenntnisse aus erfolgreich abgeklärten nationalen und internationalen Ausbrüchen der letzten Jahre haben die Notwendigkeit und den Nutzen von epidemiologischen Abklärungen außer Frage gestellt.
Themenbericht
In die Überwachung der Lebensmittelkette sind viele Behörden und Institutionen aus unterschiedlichen Fachgebieten involviert. Aufgrund der Komplexität und der teils unterschiedlichen Zielsetzungen ist eine umfassende, gemeinsame Betrachtung unbedingt notwendig. Der 4. Bericht aus der Reihe AGES Wissen Aktuell, "Lebensmittelbedingte Infektionskrankheiten", bietet diese Zusammenschau. Darüber hinaus wird beschrieben, welche Ursachen zu einer Kontamination tierischer Lebensmittel mit bestimmten Erregern führen können und welche Maßnahmen für eine Reduktion sowohl von Seiten der ProduzentInnen als auch der KonsumentInnen möglich sind.
In Österreich werden jedes Jahr rund 8.000 lebensmittelbedingte Erkrankungen im nationalen epidemiologischen Meldesystem (EMS) erfasst. Nach Definition der WHO sind durch Lebensmittel verursachte Infektionskrankheiten „Krankheiten infektiöser oder toxischer Natur, die tatsächlich oder wahrscheinlich auf den Verzehr von Lebensmitteln oder Wasser zurückgeführt werden können“.
Insgesamt sind über 250 Erreger und Toxine bekannt, die derartige Erkrankungen verursachen können. Der vorliegende Bericht beschränkt sich auf 20 Erreger, die in Österreich von Bedeutung sind (Campylobacter, Clostridium difficile, EHEC/VTEC, Listerien, Salmonellen, Shigella, Vibrionen, Yersinien, Noroviren, Rotaviren, Sapoviren, Hepatitisviren, Cryptosporidium parvum, Toxoplasma gondii, Cyclospora cayetanensis, Giardia und die Toxinbildner Staphyloccus aureus, Bacillus cereus, Clostridium botulinum, Clostridium perfringens). Erreger, die in Österreich so gut wie nicht vorkommen bzw. nur als Reisekrankheiten auftreten, wurden nicht berücksichtigt.
Aktualisiert: 10.10.2022