Blauzungenkrankheit

BTV, Bluetongue Disease

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Steckbrief

Die Blauzungenkrankheit (syn. Bluetongue Disease, BT) ist eine Viruserkrankung der Rinder, Schafe, Ziegen, Kamelartiger und wildlebender Wiederkäuer.

Vorkommen

Die Blauzungenkrankheit kommt beinahe weltweit vor. In Europa ist der Mittelmeerraum regelmäßig von Ausbrüchen betroffen. Jedoch wurden auch schon weiter nördlich liegende Länder, darunter auch Österreich, Ziel teilweise ausgeprägter Seuchenzüge. Im Jahr 2023 ist ein spezieller Serotyp des Virus, BTV-3, zum ersten Mal in den Niederlanden, Belgien und Deutschland aufgetreten. Im Jahr 2024 hat sich das BTV-3 weiter im Nordwesten Deutschlands ausgebreitet, die östlichen und südlichen Bundesländer Deutschlands sind bisher nicht betroffen. Aufgrund der Abwesenheit von schützenden Antikörpern sind die Tierbestände in bisher nicht von BTV-3 betroffenen Regionen voll empfänglich. Eine durchgemachte Infektion mit BTV-8 bzw. BTV-4 oder Impfung gegen diese Subtypen ist kein ausreichender Schutz vor einer Infektion mit BTV-3. Es ist daher von einer weiteren Verbreitung auszugehen, sollte diese nicht durch wirksame Impfmaßnahmen gestoppt werden.

Wirtstiere

Wiederkäuer (z. B. Rinder, Schafe, Ziegen), Wildwiederkäuer (z. B. Hirsch, Rotwild, Steinbock, Gämse) und Kamelartige (z. B. Alpaka). Als empfänglichste Tierart gilt das Schaf, wobei zwischen den einzelnen Rassen Unterschiede in der Empfänglichkeit bestehen. Für den Menschen besteht keine Infektionsgefahr.

Infektionsweg

Die Übertragung des Erregers erfolgt durch Gnitzen (beißend-saugende Insekten). Kontaminierte Nadeln von Impf-/Spritzbestecken oder chirurgische Instrumente stellen ein potentielles Übertragungsrisiko dar. Die Möglichkeit einer Übertragung von BTV-8 im Mutterleib auf den Fötus (vertikale Übertragung) wurde in einer Feldstudie nachgewiesen. Es besteht kein Risiko, dass sich die Blauzungenkrankheit durch Fleisch oder Milch verbreitet oder überträgt.

Inkubationszeit

4-8 Tage

Symptomatik

Das klinische Krankheitsbild ist vorwiegend durch Fieber und hyperämische Stauungserscheinungen im Bereich des Kopfes bzw. der Kopfschleimhäute (geschwollene, hervortretende „blaue“ Zunge) sowie der Gliedmaßen bestimmt. Meist erkranken Schafe schwerer als Rinder. Bei Rindern und bei Ziegen kommen häufig auch symptomlose Verläufe vor. Bei erkrankten Rindern kommt es häufig zu einem deutlichen Milchleistungsrückgang. Todesfälle bei Schafen kommen durchaus vor und sind häufiger als bei Rindern. Die Sterblichkeit ist mit Ausnahme von Schafen generell gering und auch vom Virusstamm abhängig. Im Vergleich zu BTV-8 scheint das BTV-3 zu schwereren Krankheitsverläufen zu führen. Das klinische Krankheitsbild kann an die Maul- und Klauenseuche erinnern (z. B. Fieber, Schleimhautrötungen/-entzündungen, Lahmheit).

Therapie

Es gibt keine spezifische Therapie

Bekämpfung/Prävention

In Österreich wird jährlich ein aktives Überwachungsprogramm durchgeführt, um die Erregerfreiheit festzustellen. Es beruht auf der Einteilung in 28 Regionen, deren Größe die topografischen Gegebenheiten, die Viehdichte und politische Bezirke berücksichtigt und pro Region 60 ungeimpfte Rinder einer serologischen BTV-Antikörper-Untersuchung unterzieht. Nach zwei Jahren ohne BTV-Fall im Südosten von Österreich konnte die BTV-4 Restriktionszone verkleinert und im Dezember 2018 auch wieder aufgehoben werden. Um die Übertragung der Krankheit durch Gnitzen zu verhindern, können auch insektenabwehrende Mittel (Repellentien) genutzt werden. Die Gnitzen fliegen vor allem zwischen Abend- und Morgendämmerung Tiere im offenen Gelände an. Daher empfehlen die zuständigen Behörden, die Tiere in diesen Zeiträumen in Ställe zu bringen.

Vorbeugung

Gegen die Blauzungenkrankheit gibt es serotypenspezifische Impfstoffe. Derzeit gibt es einen inaktivierten Impfstoff gegen die Serotypen 1, 2, 4 oder 8 bei Schafen und Rindern, der in der EU (European Medicines Agency, EMA) zugelassen ist (BTVPUR). Das bedeutet, dass dieser Impfstoff in Österreich gemäß § 29 Tiergesundheitsgesetz 2024 angewendet werden darf (der behandelnde Tierarzt hat die beabsichtigte Impfung zeitgerecht der zuständigen Behörde zur Kenntnis bringen; über die durchgeführten Impfungen haben Tierärzte jährlich Berichte an die zuständige Behörde zu schicken). Außerdem muss die Bluetongue-Bekämpfungs-Verordnung § 10 beachtet werden (geimpfte Tiere müssen über eine Einzeltierkennzeichnung verfügen). Derzeit wird in Österreich kein amtliches Impfprogramm gegen BT durchgeführt. Eine Impfung gegen die Serotypen 1, 2, 4 oder 8 der Blauzungenkrankheit ist amtlich gestattet, wobei diese auf freiwilliger Basis auf Wunsch (und Kosten) der Tierhalter erfolgen kann, solange die Rahmenbedingungen des Tiergesundheitsgesetzes und der Bluetongue-Bekämpfungs-Verordnung eingehalten werden. Dabei ist nach den Vorgaben des § 58 Tierarzneimittelgesetz („Kaskade“) und des § 8 Arzneiwareneinfuhrgesetz vorzugehen.

Gegen den Serotypen 3 gibt es aktuell keinen bei der EMA zugelassenen inaktivierten Impfstoff. Es gibt 3 inaktivierte Impfstoffe, die über eine Notfallzulassung in anderen EU-Ländern bei Schafen und Rindern verfügen. Diese Impfstoffe wurden in die Tierimpfstoffanwendungsverordnung (Novelle 2024) aufgenommen und können in Österreich bei Schafen und Rindern unter den Bedingungen des § 29 Tiergesundheitsgesetz 2024 und § 10 Bluetongue-Bekämpfungs-Verordnung angewendet werden.

Gesundheitsministerium: Rechtsvorschriften Blauzungenkrankheit

Situation in Österreich

Österreich hat den Status "seuchenfrei" gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2021/620 seit dem 15.04.2021. Österreich hatte seinen ersten BT-Fall mit dem Serotyp 8 im Jahr 2008. Im 2. Halbjahr 2014 begann ein neuer BTV-4-Seuchenzug in Südosteuropa und breitete sich rasch von der Türkei über Griechenland, Rumänien, Bulgarien und die Balkanstaaten bis Ungarn und Kroatien aus. Im Zuge dieser Ausbreitung wurde am 17. November 2015 erstmalig der Serotyp 4 auch in Österreich festgestellt. Insgesamt wurden im Jahr 2015 vier BTV-4-Ausbrüche in den Bundesländern Steiermark und Burgenland verzeichnet sowie drei Ausbrüche im Jahr 2016 in den Bundesländern Burgenland und Kärnten. Die Freiheit bei der WOAH wurde im Februar 2019 wiedererlangt.

Bei Rindern wird jährlich ein amtliches Monitoring zum Nachweis des Nicht-Vorhandenseins des Erregers durchgeführt, das vor allem auf dem Nachweis von Antikörpern gegen das Virus der Blauzungenkrankheit beruht.

Anzahl aller BT-Fälle 2008-2020 in den jeweiligen Bundesländern, Bezirken und Betrieben

Fachinformation

Die Blauzungenkrankheit wurde erstmals in Südafrika im Jahre 1934 festgestellt. Mit dem Export von Merinoschafen in viele Staaten des afrikanischen Kontinents breitete sich die Krankheit weiter aus.

Das Bluetongue Virus (BTV) ist ein unbehülltes doppelsträngiges RNA-Virus, das zum Genus Orbivirus der Familie Reoviridae gehört. Die serologische Verwandtschaft zwischen den zahlreichen einzelnen BTV-Serotypen ist unterschiedlich ausgebildet. Aus diesem Grund besteht die Möglichkeit, dass zwischen zwei BTV-Serotypen entweder eine hohe Kreuzreaktion ("enges" Verwandtschaftsverhältnis, z. B. BTV-8 und BTV-18) oder eine geringe Kreuzreaktion ("weites" Verwandtschaftsverhältnis, z. B. BTV-8 und BTV-15) besteht. Daher kann ein BTV-geimpftes Tier an einem anderen BTV-Serotyp klinisch erkranken und gegen diesen zweiten BTV-Serotyp Antikörper bilden. In Laborversuchen wurde das Bluetongue virus nach 3 Stunden bei einer Temperatur von 50 °C bzw. nach 15 Minuten bei einer Temperatur von 60 °C inaktiv. Das Virus kann unter geeigneten Bedingungen jahrelang überleben, z. B. in Blutproben bei 20 °C. (Quelle: OIE).

Differentialdiagnostisch kommen MKS, BKF, BHV-1, BVD, PI-3, VS (Vesikuläre Stomatitis), EHD, Lippengrind, Kreislaufstörungen anderer Genese etc. in Betracht.

Übertragung

Die Übertragung des Erregers erfolgt durch sogenannte Gnitzen (Culicoides spp.); es gibt keinen direkten Übertragungsweg von Säugetier zu Säugetier. Die Infektion ist saisonal an die Aktivität der Gnitzen gebunden und tritt daher meist im Spätsommer und Herbst auf. Beim Saugakt am infizierten Tier nimmt die Gnitze BTV-hältiges Blut auf. Das BTV gelangt zuerst in den Darm und von dort weiter in die Speicheldrüsen der Gnitze. Mit dem nächsten Saugakt wird virushaltiger Speichel in die Blutbahn des Wirtes gebracht. Dort kommt es zur Virusvermehrung sowie zur Weiterverbreitung in alle Organe. Das Säugetier baut nach der Infektion eine Immunantwort (Antikörperbildung) gegen den Erreger auf. Das BTV kann in der Gnitze bis zu ca. 28 Tagen, im Schaf bis zu ca. 60 Tagen und beim Rind bis zu ca. 220 Tagen nachgewiesen werden.

Symptomatik

Infizierte Tiere weisen eine geringe Letalität und hohe Morbidität auf.  Die Mortalität (= Anteil der empfänglichen Tierpopulation, die an der Krankheit verendet) wird bei Schafen mit 1 % bis 5 % beschrieben, bei Ziegen und Rindern bis zu 1,5 %. Nach dem Stich einer infizierten Mücke kommt es im empfänglichen Wirt zu einer Virämie mit Fieber und klinischen Symptomen. Die häufigste Verlaufsform ist die inapparente. In erkrankten Tieren konnten unterschiedliche Verlaufsformen beobachtet werden: akut, subakut und abortiv, wobei alle mit einer Temperaturerhöhung beginnen.

Die Symptome sind:

  • Fieber (40-42 °C)
  • Hyperämien der oralen und nasalen Schleimhäute
  • Lippenödeme
  • Klauenentzündung: Hyperämie des Kronsaumbereiches
  • Aborte
  • Veränderungen der Skelettmuskulatur

Diagnostik

Als Probenmaterial sind geeignet:

  • Blut (EDTA/Serum)
  • Milch
  • Organe
  • Mücken

Der Nachweis von BTV aus obigen Materialien ist mit folgenden Verfahren möglich:

  • Serologische Testverfahren zur Antikörperbestimmung: ELISA (Serum und Milch)
  • Serumneutralisationstest (Serum)
  • Molekularbiologische Identifizierung (EDTA-Blut, Organe und Mücken)
  • BT-Virusanzüchtung (EDTA-Blut, Organe, eventuell Mücken)

In allen Fällen sollte der Probenversand an das Labor idealerweise unter Beigabe von Kühlmitteln und Berücksichtigung der entsprechenden Transportbestimmungen (UN3373) durch ein dazu berechtigtes Logistikunternehmen durchgeführt werden.

Kontakt

Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling

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Aktualisiert: 24.07.2024