Nukleare Notfallvorsorge

Die Sicherheit der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist seit Jahrzehnten ein viel diskutiertes Thema. Mit der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke (KKW) im April 2023 ist der Atomausstieg in Deutschland vollzogen. In anderen Nachbarländern Österreichs  werden hingegen neue Kernkraftwerke geplant und in Betrieb genommen. Fest steht jedoch, dass die Folgen eines KKW-Unfalles weitreichend sein können, wie die  Ereignisse in Tschernobyl  und Fukushima in den Jahren 1986 und 2011 gezeigt haben. Da die mit der Luft verfrachteten radioaktiven Stoffe – die sogenannte radioaktive Wolke – keine Staatsgrenzen kennen, besteht auch für Österreich eine potenzielle Gefährdung. Es ist deshalb unbedingt eine gewissenhafte Notfallplanung erforderlich, um bei einem radiologischen Notfall die Auswirkungen auf die Bevölkerung durch verschiedene Maßnahmen möglichst gering zu halten.

Internationale nukleare Notfallvorsorge

Nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl wurden neben bilateralen Informationsabkommen auch internationale Vereinbarungen getroffen. Diese verpflichten Staaten dazu,  die internationale Gemeinschaft im Falle einer möglicherweise bevorstehenden Freisetzung von radioaktiven Stoffen in die Umwelt zu informieren. Diese Vorwarnzeit ermöglicht betroffenen Staaten schon vor dem Eintreffen von radioaktiv kontaminierten Luftmassen, mit extra dafür entwickelten Ausbreitungssimulationsprogrammen die Auswirkungen abzuschätzen. Dadurch können von den Behörden frühzeitig Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung vorbereitet und getroffen werden.

Nationaler nuklearer Notfallschutz

In Österreich wurden nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl und aufgrund der Erfahrungen von Fukushima 2011 detaillierte Notfallpläne, ein Maßnahmenkatalog und ein Probenahmeplan ausgearbeitet und regelmäßig weiterentwickelt.

Die Notfallpläne auf Bundes- und Landesebene umfassen im Wesentlichen folgende Punkte:

  • Beteiligte Organisationen und ihre Zuständigkeiten
  • Mögliche Szenarien radiologischer Notfälle
  • Ablaufplanung
  • Melde- und Alarmierungswege
  • Bewertung der Auswirkungen des radiologischen Notfalls
  • Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung
  • Information der Bevölkerung
  • Medizinische Hilfeleistung
  • Notfallübungen
  • Notfallkontakte

Der Maßnahmenkatalog behandelt alle Schutzmaßnahmen, die im Falle einer großräumigen Kontamination mit möglichen radiologischen Auswirkungen auf Österreich in Betracht zu ziehen sind. Der Probenahmeplan regelt Organisation und Durchführung von Probenahmen, Probentransport, Messungen und Messdatenübermittlung bei groß- und kleinräumiger radioaktiver Kontamination. Eine großräumige Kontamination von österreichischem Staatsgebiet wäre beispielsweise infolge eines KKW-Unfalles möglich, eine kleinräumige Kontamination könnte durch Transportunfälle oder Brände mit radioaktiven Stoffen entstehen. Der Probenahmeplan ist Teil des gesamtstaatlichen Notfallplans.
Die zuständigen Bundesministerien, die Bundesländer und wir nehmen regelmäßig and internationalen und nationalen Notfallübungen teil. Dadurch werden die notwendigen Kompetenzen für den Notfall trainiert und gefestigt. So ist eine kontinuierliche Verbesserung in der Notfallvorsorge sichergestellt.

Auf der Notfall-Webseite des BMK finden Sie nähre Informationen zur Notfallvorsorge und zur aktuellen Situation in Österreich.

Österreichisches Strahlenfrühwarnsystem und Überwachungsnetz

Zur raschen Erkennung und Beurteilung großräumiger radioaktiver Kontaminationen ist in Österreich seit Beginn der 1980er Jahre ein automatisches flächendeckendes Mess-Netz für Gammastrahlung in Betrieb. Es war europaweit das erste automatische Strahlenmesssystem und ist mit über 300 Messstationen eines der weltweit dichtesten Messnetze. Die Messergebnisse werden im 10-Minutentakt automatisch an das BMI, das BMK und die Landeswarnzentralen übermittelt. Die Daten von 111 Messstationen sind auf der Strahlenschutzwebseite des BMK abrufbar.

Zusätzlich sind zehn Luftmonitore installiert, die automatisch und kontinuierlich die Alpha-, Beta- und Gammastrahlung der Aerosole in der Luft messen. Alle Messwerte aus dem österreichischen Strahlenfrühwarnsystem sind online in den Bundesstrahlenwarnzentralen verfügbar. Zwecks Ausfallsicherheit werden zwei Datenzentralen parallel betrieben.

Auf der Website des BMK finden Sie ergänzende Informationen zum Strahlenfrühwarnsystem.

Zum zuverlässigen Nachweis neuer Einträge radioaktiver Stoffe in die Umwelt wird das Strahlenfrühwarnsystem durch unser laborgestütztes Überwachungsnetz ergänzt. An den Standorten Wien, Linz, Graz und Innsbruck führen wir verschiedene Überwachungsaufgaben in modern ausgestatteten Strahlenschutz-Labors durch. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, bundesweit jederzeit auch geringfügige Erhöhungen der Radioaktivität in der Umwelt und in Lebensmitteln der Umwelt festzustellen.

Hier finden Sie mehr Informationen zur Radioaktivitätsüberwachung der Umwelt.

Ein spezielles Überwachungsprogramm mit der Bezeichnung "Beweissicherung Temelín" wird seit 1992 in Zusammenarbeit mit dem Land Oberösterreich durchgeführt. Durch die langjährige systematische Beprobung diverser Umweltmedien und Lebensmittel wurde eine radioökologische Datenbasis geschaffen, die es ermöglicht, einen etwaigen Eintrag von Radioaktivität aus dem Betrieb des Kernkraftwerks Temelín (CZ) nachzuweisen.

Im Jahr 2016 wurde dieses Überwachungsprogramm in „Beweissicherung Kernkraftwerke“ umbenannt und um sieben grenznahe Probenahmestellen in ganz Österreich erweitert. Dies ermöglicht es uns auch in anderen Bundesländern eine Datenbasis zum Nachweis eines etwaigen Eintrags von Radioaktivität durch grenznahe Kernkraftwerke aufzubauen. Zusätzlich ergibt sich dadurch die Gelegenheit für ein jährliches Training von Probenehmer:innen und Messlabors abseits von größeren Notfallübungen.

Unsere Rolle im nuklearen Notfallmanagement zum Schutz der Bevölkerung

AGES-Strahlenschutz-Labors

Unsere Strahlenschutz-Labors sind darauf vorbereitet, im Ernstfall (zum Beispiel ein KKW-Unfall in einem Nachbarland) innerhalb kurzer Zeit große Mengen möglicherweise hochkontaminierter Proben zu bearbeiten. Die Organisation des Labors während eines radiologischen Notfalls, die Probenlogistik, der Schutz der Mitarbeiter und die Vermeidung von Querkontaminationen stehen dabei im Mittelpunkt und werden regelmäßig trainiert. Die Messergebnisse werden an die zuständigen Behörden weitergeleitet und dienen als Basis für die Information der Bevölkerung und das Ergreifen von Schutzmaßnahmen. Expert:innen des Geschäftsfeldes Strahlenschutz sind außerdem in die Notfallplanung auf Bundes- und Landesebene eingebunden.

AGES-Notfalleinsatzkräfte

Alle unsere Notfalleinsatzkräfte verfügen über eine mindestens 90-Stündige Ausbildung gemäß Interventionsverordnung 2020, welche durch zusätzliche Spezialausbildungen und jährliche Fortbildungen im Ausmaß von mindestens 16 Stunden ergänzt wird.

Um für den Ernstfall gut vorbereitet zu sein, finden regelmäßige Notfallübungen unserer Notfalleinsatzkräfte in Zusammenarbeit mit Behörden und Einsatzkräften statt. Unsere speziell ausgebildeten Notfalleinsatzkräfte können sowohl im Labor als auch vor Ort schnelle und genaue Radioaktivitätsmessungen durchführen und somit einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung leisten.

Dabei kommen verschiedene Strahlenspürgeräte und Methoden zum Einsatz, wie z. B. Dosisleistungsmessgeräte, Kontaminationsmonitore, Nuklididentifikationsmessgeräte, Wischtests und mobile Reinstgermanium-Gammaspektrometrie-Geräte. Die so erhaltenen Messdaten und eine erste Einschätzung der radiologischen Lage vor Ort werden von unseren Notfalleinsatzkräften schnellstmöglich an das BMK weitergeleitet, damit entsprechende Entscheidungen getroffen werden können.

Bei radiologischen Notfällen sind unsere Notfalleinsatzkräfte in der Lage, selbst schwer nachweisbare radioaktive Stoffe, wie zum Beispiel Transurane, zu detektieren.

Mobiles Radioaktivitäts-Messlabor der AGES

Um unsere Bereitschaft und Reaktionsfähigkeit im Notfall zu verbessern, können unsere Notfalleinsatzkräfte direkt vor Ort ein mobiles Radioaktivitäts-Messlabor in Betrieb nehmen. Unsere mobilen Messlabors sind so konzipiert, dass sie für mindestens 24 Stunden vollständig autark betrieben werden können und sowohl in einem Zelt als auch in Räumlichkeiten, wie zum Beispiel öffentlichen Gebäuden, flexibel einsetzbar sind. Das ist insbesondere in örtlich begrenzten radiologischen Notfällen von Vorteil, in denen akkreditierte Messergebnisse und schnelle Entscheidungsfindungen vor Ort erforderlich sind oder wenn längere Anfahrtswege zu den AGES-Labors aus zeitlichen oder einsatztaktischen Gründen nicht möglich sind.

Kontakt

Mag. Dr. Claudia Landstetter

Aktualisiert: 23.10.2024