Kaninchenseuche, Kaninchenpest

Myxomatose

Steckbrief

Die Myxomatose oder Kaninchenpest ist eine vorwiegend beim Haus- und Wildkaninchen vorkommende Viruserkrankung. Feldhasen können zwar an Myxomatose erkranken, die Krankheitssymptome sind aber nur schwach ausgebildet. Das Virus ist für den Menschen ungefährlich.

Vorkommen

Weltweit

Wirtstiere

Europäisches Wildkaninchen, Hauskaninchen; in geringerem Maß südamerikanisches Wildkaninchen, Feldhasen

Infektionsweg

Die Übertragung der Erreger erfolgt vorwiegend im Sommer über stechend-saugende Insekten; direkt vom krankem zum gesundem Tier, indirekt über Fliegen, den Menschen, Stallequipment.

Inkubationszeit

3-9 Tage

Symptomatik

Schwellungen, Knoten und Hautläsionen im Bereich des Kopfes, insbesondere an Augenlidern und im Genital- und Analbereich. Die Krankheit endet meist mit dem Tod.

Therapie

Für Myxomatose gibt es keine spezielle Behandlung. Sie ist nicht heilbar, auch wenn Antibiotika und andere Medikamente unterstützend eingesetzt werden können. Die Krankheit endet meist mit dem Tod der erkrankten Tiere.

Vorbeugung

Es gibt eine Impfung, Hygienemaßnahmen

Situation in Österreich

In Österreich waren/sind unter anderem Wild- und Hauskaninchen im Raum Wien und Niederösterreich betroffen. Genauere Angaben über die geographische Ausbreitung von Myxomatose in Österreich können nicht gemacht werden, da die Krankheit nicht meldepflichtig ist.

Fachinformation

Die Myxomatose oder Kaninchenpest ist eine vorwiegend beim Haus- und Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) vorkommende Viruserkrankung. Hauptwirte des Virus sind das europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) und seine Zuchtform, das Hauskaninchen (Oryctolagus cuniculus forma domestica). Die Wildkaninchen Südamerikas (Sylvilagus brasiliensis) sind wesentlich resistenter gegenüber dem Myxomatosevirus (milde bzw. symptomlose Infektion!) als ihre europäischen Vertreter. Feldhasen sind für Myxomatose weitgehend unempfindlich; selbst bei hohem Infektionsdruck erkranken maximal 1 % der Feldhasen. Andere Tiere oder Menschen sind durch das Myxomatosevirus nicht gefährdet.

Der Erreger der Myxomatose gehört der Pockenvirusgattung Leporipoxvirus (Unterfamilie: Chordapoxvirinae) an und wird als Myxoma virus bezeichnet. Zur Gattung der Leporipoxviren zählen weiters das Hare fibroma virus (FIBV, Erreger der Fibromatose des Feldhasen), das Rabbit fibroma virus (RFV, Erreger der Fibromatose des Kaninchens) und das Squirrel fibroma virus (SQFV, Erreger der Fibromatose der Eichhörnchen). Das Leporipoxvirus ist ein ziegelförmiges DNA-Virus mit einer Genom Größe von 160 kbp.

Ausgelöst wurde die Verbreitung der Myxomatose in Europa 1952 durch das Freilassen erkrankter, infizierter Kaninchen in Frankreich. In der Folge breitete sich das Myxomatosevirus in Europa in rasantem Tempo aus und wirkte – ähnlich wie in Australien – nahezu populationsvernichtend. Nachdem 1955 vom bisher letzten Seuchenausbruch in Österreich berichtet wurde, traten im Herbst 2009 und im Herbst 2010 gehäuft Fälle von Myxomatose in Österreich bei freilebenden Wild- und Hauskaninchen auf. Myxomatose ist in Europa weit verbreitet: 2004/2005 wurden Ausbrüche in England (Leeds, Sussex, Essex, Cambridge etc.), 2007 in der Schweiz, 2008 in Luxemburg, 2009 in Russland und 2009 wieder in England (Wales), 2012 in Griechenland, 2018 in Portugal und Spanien, 2020 in Finnland gemeldet. In Österreich waren/sind unter anderem Wildkaninchen und Hauskaninchen im Raum Wien und Niederösterreich betroffen.

Myxomatose ist eine der beiden Krankheiten der Lagomorpha (die Säugetierfamilie, zu der Kaninchen, Hasen und Pikas gehören), die im WOAH Terrestrial Animal Health Code aufgeführt sind. Die Mitgliedsländer sind verpflichtet, Ausbrüche der Krankheit gemäß dem WOAH Terrestrial Animal Health Code zu melden.

Die Übertragung des Virus findet vorwiegend über stechend-blutsaugende Insekten wie Stechmücken oder Flöhe im Sommer statt; vor allem der Kaninchenfloh gilt als Hauptvektor. Eine Übertragung des Myxomatosevirus durch Milben, Zecken und Läuse kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Das Virus bleibt im Insekt bis zu 3 Monate aktiv. Eine erhöhte Insektenpopulation in feuchtwarmen Sommern und im Herbst führt zu einem gehäuften Auftreten der Erkrankung. Myxomatose ist dafür bekannt, nur alle 4-5 Jahre, dafür dann hochvirulent, aufzutreten.

Weitere Übertragungswege sind direkter Tier zu Tier Kontakt durch Beschnuppern und Schleimhautkontakt, indirekte Übertragung über die Umgebung, indirekte mechanische Übertragung über Fliegen. Der Mensch kann bei Kontakt mit erkrankten Tieren ebenfalls als indirekter Überträger fungieren. Verschmutzte Arbeitsgeräte, Stallkleidung bzw. Stallzubehör sind, bei Kontakt mit infizierten Tieren, ebenfalls für die Verbreitung des Virus verantwortlich. Kranke Tiere sollten nicht mit bloßen Händen berührt werden (Händewaschen, Händedesinfektionen, Handschuhe). Das Virus bleibt bis zu 7 Monate in der Umgebung virulent.

Symptomatik

Je nach Virulenz des Erregers liegt die Mortalität bei 20 bis 100 %. Nach anfänglicher Sterblichkeit von bis zu 100 %, ausgelöst durch einen hochvirulenten Stamm, kommt es durch Abschwächung und Anpassung des Virus an die Wirte zunehmend zu milderen und atypischen Verläufen.

Nach einer Inkubationszeit von 3 bis 9 Tagen treten erste Symptome auf; nach ca. 10 bis 14 Tagen endet die Krankheit meistens mit dem Tod.

Die wichtigsten Symptome sind:

  • Schwellungen, Knoten und Entzündungen im Bereich der Augenlider
  • Augenausfluss
  • Schwellungen und Knoten im Bereich des Kopfes (Mund, Ohren, Lippen)
  • Schwellungen und Knoten im Bereich des Genitalbereiches
  • Schluckbeschwerden
  • hohes Fieber
  • Ödembildungen (Hinterlaufödeme in Ausnahmefällen)

Myxomatose äußert sich hauptsächlich in drei Verlaufsformen:

akuter Verlauf: Typisch sind geschwollene Augenlider (Bindehautentzündung), Anschwellungen im Kopfbereich (Nase, Ohren, Lippen, Augen) und eitriges Augensekret, später auch Fieber und Ödembildung am ganzen Körper. Infolge der Schwellungen und Knotenbildung am Ohr knicken bei stehohrigen Rassen die Ohren ein (hohe Gewichtslast!). Durch die Ödembildung wird der Kopf zudem unförmig ("Nilpferdkopf", "Löwenkopf“, "Großkopfkrankheit"). Unterhautödeme finden sich vermehrt im Bereich der Geschlechtsorgane, des Analbereiches, der Hinterläufe, des Unterbauches und auf dem Rücken. Zu Beginn der Erkrankung sind die Tiere noch munter und nehmen Futter auf; nach 1-2 Wochen stellen sie die Nahrungsaufnahme ein und verenden.

perakuter Verlauf: Krankheitssymptome weniger ausgeprägt: Meist erkennt man die Anzeichen an einer Augenschwellung, die in eine Bindehautentzündung übergeht. Die Tiere sterben innerhalb weniger Tage.

chronischer Verlauf: vermehrt Knoten- und Unterhautödembildungen, vor allem im Kopfbereich und an den Hinterläufen. Eine Heilung ist in Einzelfällen möglich; das „geheilte“ Tier trägt die Seuche jedoch weiterhin in sich.

Über eine respiratorische Form der Krankheit ohne Hautläsionen wurde auch berichtet.

Therapie, Bekämpfung

Für Myxomatose gibt es keine spezielle Behandlung. Sie ist nicht heilbar, auch wenn Antibiotika und andere Medikamente unterstützend eingesetzt werden können. Überlebt ein Tier, überträgt es auch noch nach Monaten das Virus und wird nicht immunisiert. Latent infizierte Kaninchen scheiden ebenfalls Myxomatoseviren aus, sodass eine Krankheitsverbreitung über Kontaktinfektionen innerhalb des Bestandes möglich wird.

Die Erreger der Myxomatose sind lange überlebensfähig, insbesondere an Gerätschaften und in den Stallungen. Deshalb müssen alle Gegenstände oder Gebäude, mit denen erkrankte Tiere in Berührung kommen, nach dem Verenden der Tiere gründlich gereinigt und desinfiziert werden. Das Virus ist relativ unempfindlich gegenüber einer Mehrzahl von Chemikalien wie Kaliumpermanganat, Sublimat, Phenol und Borsäure. Das Virus ist nicht kälte-, jedoch wärmeempfindlich.

Bei neu in einen Bestand einzuführenden Kaninchen sollte eine 14-tägige Quarantäne eingehalten sowie eine Impfung durchgeführt werden. Vorbeugend kann eine halbjährliche Impfung mit abgeschwächtem Lebendimpfstoff Schutz gegen eine Infektion bieten. In Österreich und Deutschland ist im Gegensatz zur Schweiz eine Impfung zugelassen. Detaillierte Informationen über Impfungen erhalten Sie bei Ihrem Tierarzt. Es gibt verschiedenen Impfstoffe, die meist sub- bzw. intrakutan appliziert werden.

Alle Hauskaninchen, egal ob freilebend oder im Stall, sollten geimpft werden; impfwürdig sind nur 100 % gesunde Tiere. Trächtigkeit, Saugtätigkeit oder Wachstum (ab einem Alter von 4 Wochen) sind kein Hinderungsgrund. Vor der Impfung sollte der Tierarzt eine allgemeine Gesundheitskontrolle durchführen. Rechtzeitig vor Beginn der warmen Jahreszeit impfen! Die Impfung kann mit anderen Kaninchen-Impfungen (RHD) kombiniert werden, allerdings ortsgetrennt. Die Impfung bleibt wirkungslos bei Kaninchen, die bereits latent infiziert oder bereits erkrankt sind. Die Impfung erreicht keine hundertprozentige Immunisierung; mit ihr sollten weitere Vorsichts- und Hygienemaßnahmen einhergehen. Die Wirksamkeit der Impfung kann durch ungünstige Haltungsbedingungen sowie durch Kokzidien- und Parasitenbefall oder versteckte bakterielle Infektionen negativ beeinflusst werden. Es kann passieren, dass Jungtiere durch das Muttertier (durch Säugung) einen derart hohen Antikörperspiegel besitzen, dass das Immunsystem der jungen Kaninchen nicht zur Antikörperbildung angeregt wird – es entsteht eine immunologische Lücke. Die vom Muttertier übertragenen Antikörper und die durch das Vakzin freigesetzten Viren kompensieren sich gegenseitig, und das Jungtier entwickelt keinen Impfschutz. Dieses Infektionsrisiko kann durch Durchimpfung aller im Stall befindlichen Tiere jedoch eingeschränkt werden.

Weitere Schutz- bzw. Hygienemaßnahmen:

  • wirksamer Mückenschutz, empfohlen bei größeren Beständen
  • kein Grünfutter aus Gebieten, in welchen sich Wildkaninchen aufhalten
  • Bekämpfung der Fliegen, die virushaltiges Augensekret oder Sekret aufbrechender Pusteln verbreiten können
  • Vermeidung von Kontakt zwischen Hauskaninchen und Wildkaninchen im Freigehege
  • Reinigung der Hände nach dem Anfassen von erkrankten Tieren
  • Übertragung kann auch während Ausstellungen erfolgen

Diagnostik

Probenart:

lebende Tiere

  • Hautläsionen und/oder Hautkrusten

Tierkörper (tot)

  • ganze Tierkörper
  • Hautläsionen und/oder Hautkrusten

Nachweisverfahren:

  • Pathomorphologische Untersuchungen
  • molekularbiologische Methoden (PCR)

Kontakt

Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling

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Aktualisiert: 14.10.2024