Geflügelpocken

Syn. Vogelpocken, Avipox

Steckbrief

Geflügelpocken (Vogelpocken) werden durch Avipockenviren verursacht. Hühnerpocken sind eine der bedeutsamsten Infektionskrankheiten in der Geflügelhaltung. Konsequente Impfung und verbesserte Hygienebedingungen ermöglichen, dass über lange Zeit bei intensiv gehaltenem Wirtschaftsgeflügel keine Pockeninfektion innerhalb des Bestandes auftritt. Menschen können sich nicht infizieren.

Vorkommen

Weltweit

Wirtstiere

Geflügel, Wild- und Ziervögel

Infektionsweg

Die Ansteckung erfolgt über direkten Kontakt von Tier zu Tier, indirekt durch Arthropoden (z. B. Vogelmilben, Insektenstiche) und über die mit Erregern kontaminierte Umgebung (z. B. Trinkwasser, Staub, Aerosole, mit Erregern behaftetes Stallequipment bzw. Volieren).

Inkubationszeit

4-14 Tage

Symptomatik

Die Sterblichkeitsrate ist abhängig von der Vogelart, dem Virusstamm und dem Alter der Tiere. Sie schwankt zwischen 50 % und 100 %.

Therapie

Es gibt keine Therapie

Vorbeugung

Die Impfung mit einem zugelassenem Lebendimpfstoff ist in der EU gestattet.

Situation in Österreich

Seit 2006 treten, möglicherweise bedingt durch den Verzicht auf die bislang durchgeführte Schutzimpfung, in Österreich wieder Pockeninfektionen in Geflügelbeständen auf. In Österreich sind Geflügelpocken nicht melde- bzw. anzeigepflichtig.

Fachinformation

Vogelpocken bzw. Geflügelpocken ist eine pockenartige Erkrankung von Geflügel, Zier- und Wildvögeln, die durch Vertreter der Gattung Avipoxvirus (Unterfamilie Chordopoxvirinae) hervorgerufen wird. Avipoxviren sind behüllte Viren mit einem linearen, doppelsträngigen DNA-Genom mit einer Größe von 300kbp. Sie unterscheiden sich von anderen Pockenviren durch ihre ziegelförmige Gestalt (330x280x200nm). Die Virushülle besteht aus einer äußeren Hülle und einer inneren Hülle mit unregelmäßig angeordneten Oberflächentubuli, in die virale und zelluläre Lipoproteine eingebaut sind.

Vogelpockenviren (Avipoxviren) und -erkrankungen sind bei einer Vielzahl von Vogelarten weltweit nachgewiesen. Sie werden namentlich nach dem Wirtstier ihrer Erstentdeckung benannt, z. B. Fowlpox virus (Hühnerpockenvirus), Pigeonpox virus (Taubenpockenvirus), Sparrowpox virus (Sperlingspockenvirus) etc.  Das bedeutet nicht, dass sie nur die Vogelgattung, deren Namen sie tragen, infizieren können. Im Gegenteil, die Wirtsspezifität ist nicht sehr hoch, die einzelnen Vertreter gehen auch auf heterologe Wirte über. So wurde z. B. das Fowlpox virus auch in Sperlingen nachgewiesen. Das Kanarienpockenvirus (Canarypox virus) unterscheidet sich immunologisch deutlich von den anderen Vertretern, was sich auch im Krankheitsverlauf wiederspiegelt. Eine wichtige Rolle bei der Infektion mit Avipoxviren spielen bei der Erkrankungsdauer Umweltfaktoren, Immunstatus und Infektionsweg. Die Krankheitsdauer beträgt, wenn nicht Komplikationen auftreten, drei bis vier Wochen. Grundsätzlich kann man beim Wirtschaftsgeflügel, bei Tauben und bei Papageien von einer Mortalität von 50 % ausgehen. Bei Kanarienvögeln oder anderen Finkenvögeln beträgt diese Rate 100 %.

Grundsätzlich sind Vögel aller Altersklassen für die Infektion mit Avipoxviren empfänglich. Die Infektion verläuft saisonal, vorwiegend in den kühleren Jahreszeiten. Oft lässt sich eine säkulare Rhythmik erkennen, d. h. zwischen gehäuften Infektionsgeschehen kann es Phasen geben, in denen nur sporadisch Pockeninfektionen auftreten. Während es bei den Wildpopulationen eher zu sporadischen Ausbrüchen kommt, sind Pockeninfektionen bei domestizierten Arten häufig regional enzootisch. Das größte Risiko hierbei ist die Erregereinschleppung durch den Zukauf von Geflügel. Wird hierbei keine geeignete Quarantänezeit eingehalten, kann eine direkte Virusübertragung vom infiziertem zum gesunden Tier über kleinste Haut- und Schleimhautverletzungen stattfinden. Indirekte Verbreitung über Erreger in der unbelebten Umgebung - im Futter, im Trinkwasser, auf kontaminierten Gegenständen, im Staub, anhaftend an Aerosole – ist möglich. Die indirekte Virusübertragung kann auch über Arthropoden, insbesondere über die Rote Federmilbe (Dermanyssus gallinae), aber auch über andere Milben, Fliegen und Federlinge erfolgen. Bei heterologen Wirten erfolgt im Regelfall die Übertragung vor allem durch Insektenstiche bzw. Milben. So können Geflügelpocken über Federparasiten von erkrankten Wildvögeln, z. B. von Sperlingen, auf Hühnervögel übertragen werden.

Avipoxviren sind labil gegen Fettlösungsmittel, Ether, Chloroform und andere Desinfektionsmittel; in Hautschuppen und Federstaub sind Pockenviren mehrere Monate infektiös.

Symptomatik

Die Infektion kann in Form einer lokalen Infektion oder einer Generalisation verlaufen. Bei der lokalen Infektion treten nur geringe lokale Läsionen auf und die Krankheit heilt ab. Die Generalisation hingegen zeichnet sich durch einen zyklischen Krankheitsverlauf aus, der primären Virusvermehrung an der Eintrittspforte folgt eine schwache Virämie. Während dieser Phase gelangen die Viren zu den primär affinen Organen (Leber, Knochenmark), wo eine weitere Virusvermehrung, resultierend in einer sekundären Virämie, erfolgt. Die Viren gelangen sodann zu den Zielorganen Haut und Schleimhaut. Die Inkubationszeit beträgt zwischen 4 und 14 Tagen.

Beim Wirtschaftsgeflügel unterscheidet man drei Erscheinungsformen:

a)    die Hautform: Sie zeichnet sich durch charakteristische Hautläsionen mit Krustenbildung, vor allem an unbefiederten Körperstellen wie Ständer, Kloakenöffnung, Kamm, Ohr, Kehllappen, Schnabelregion und Augenlid, aus. Selten - in schweren Fällen - finden sich Hautläsionen auch an befiederten Stellen. Zunächst entstehen kleine rötliche Flecken, die sich zu gelblichen Knötchen mit rauer Oberfläche entwickeln (papulöses Stadium). Es bilden sich sodann großflächige Papeln mit zerklüfteter Oberfläche, die danach braun-schwarze Krusten bilden. Blutige Pusteln und Papeln sind Ausgangsherde für Sekundärinfektionen. Die Pockenkrusten heilen nach 3 bis 4 Wochen ohne Narbenbildung ab.  
 
b) die Schleimhautform (diphtheroide Form): Sie ist durch proliferative Veränderungen und gelbliche membranöse Beläge in der Schnabelhöhle, auf der Zunge, im Gaumen der Rachenhöhle und im Kehlkopf gekennzeichnet. Die Schleimhaut ist zuerst stark gerötet, dann gelblichweiß; bakterielle Sekundärinfektionen können folgen. Die Futteraufnahme ist stark beeinträchtigt und führt in der Folge zu verminderter Legeleistung und zu verzögertem Wachstum.

c) die Mischform (Kombination von Haut- und Schleimhautform): Diese ist die beim Wirtschaftsgeflügel häufigste Form.

Bei Zier- (z. B. Papageien), Wild-, Greifvögeln und Brieftauben treten wie beim Wirtschaftsgeflügel alle Formen auf. Für Tauben, Finkenvögel und anderen Wildvögeln wird zusätzlich eine tumoröse Form beschrieben, bei der nach einer mild verlaufenden Hautform benigne Hauttumore auftreten. Bei Tauben kann es zu sogenannten "Blutgeschwüren" (symmetrisch auftretende beidseitige kirschgroße Gebilde) kommen. Kanarienvögel und andere Ziervögel zeigen neben den oben beschriebenen Formen noch eine perakute (septikämisch-toxische) Form, bei der nur unspezifische Allgemeinsymptome ohne Pockenexanthem zu beobachten sind (Ansteckungsgefahr!). Bei der letalen Lungenform bekommen die Tiere durch eine Bronchopneumonie eine lebensbedrohliche Atemnot, die schon nach wenigen Tagen zum Tod führt. Die Mortalität kann bei Wirtschaftsgeflügel, Tauben und Papageien 50 %, bei Kanarien- und Finkenvögeln bis zu 100 % betragen.

Differentialdiagnostisch kommen in Betracht:

bei Hauteffloreszenzen:

  • Papillomavirusinfektionen,
  • bakterielle Hauterkrankungen
  • Hautpilzinfektion (Trichophyton sp.)
  • Verletzungen
  • die kutane Form der Marek‘s Disease (Mareksche Krankheit)
  • Milbenbefall (Befall mit Knemidocoptes sp.)
  • Biotin- oder Vitamin-A-Mangel

bei Schleimhautdeformationen:

  • Infektiöse Laryngotracheitis (ILT, Erreger: Gallid herpesvirus 1)
  • Psittakose/Ornithose (Erreger: Chlamydia psittaci)
  • Coryza contagiosa gallinarum (ansteckender Hühnerschnupfen, Erreger: Haemophilus paragallinarum)
  • Rachentrichomoniasis
  • Infektiöse Bronchitis (Erreger: Coronavirus)
  • Pilzerkrankungen (Candidose, Aspergillose)

Therapie, Bekämpfung

Die Bekämpfung konzentriert sich auf die prophylaktische Vakzinierung mit attenuierten Lebendimpfstoffen und die Verbesserungen der Haltungsbedingungen, insbesondere der Hygienebedingungen. Ziervögel sollten, zumindest in größeren Beständen, zum Schutz vor Kanarienpocken geimpft werden. Die Applikation des Impfstoffes kann über das Wasser, intramuskulär, über die Follikelmethode (Auftragen des Impfstoffes auf Federfollikel) oder Wing-Web-Methode (Einstechen der Impfnadel in die Flügelspannhaut) erfolgen.

Eine spezielle Behandlung erkrankter Vögel ist nicht möglich. Erkrankte Einzeltiere sind zum Schutz der anderen Tiere zu isolieren. Beim Wirtschaftsgeflügel ist das dauerhafte Entfernen erkrankter Tiere vorzuziehen. Neu zugekaufte Tiere sollten für einige Zeit isoliert von den anderen Tieren unter Beobachtung gehalten werden. Die Ställe, Volieren und (Stall-)Utensilien sind nach der Keulung befallener Tiere zu reinigen und zu desinfizieren. Eine Warteperiode zwischen Keulung und Neueinstallung ist aufgrund der langen Überlebensdauer der Erreger in der Umgebung empfehlenswert.

Diagnostik

Probenart lebende Tiere:

  • Hautläsionen und/oder Hautkrusten
  • Rachentupfer

Tierkörper (tot):

  • ganze Tierkörper
  • Hautläsionen und/oder Hautkrusten
  • Veränderte Regionen des Verdauungs- und Respirationstraktes

Nachweisverfahren:

  • molekularbiologische Methoden (PCR)
  • Virusanzüchtung in der Eikultur (nur für Forschungszwecke)

Kontakt

Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling

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Aktualisiert: 14.10.2024