Equine Enzephalomyelitiden
Western Equine Encephalomyelitis (WEE), Venezuelan Equine Encephalomyelitis (VEE), Japanese Encephalitis (JE)
Steckbrief
Equine Enzephalomyelitiden sind durch Viren verursachte Hirn- und Rückenmarksentzündungen bei Huftieren. Pferde (auch Menschen) können an der Infektion erkranken, geben das Virus aber nicht weiter. Infektionen beim Pferd verlaufen häufig asymptomatisch, gelegentlich können schwere Erkrankungen, mitunter mit Todesfolge, auftreten.
Vorkommen
Die östlichen, westlichen und venezolanischen Enzephalomyelitiden (EEE, WEE, VEE) kommen auf dem amerikanischen Kontinent vor. Die Japanische Encephalitis ist im asiatischen Raum weit verbreitet. In Europa ist mit einem Auftreten der genannten Krankheiten aktuell nicht zu rechnen.
Wirtstiere
Wildvögel; Hasenartige, Ratten (westliche Enzephalomyelitis); Nagetiere (venezolanische Enzephalomyelitis); Schweine (Japanische Encephalitis).
Infektionsweg
Vorwiegend durch blutsaugende Insekten
Inkubationszeit
Bei der venezolanischen Enzephalomyelitis 1-5 Tage, bei den übrigen Equinen Enzephalomyelitiden 5-15 Tage
Symptomatik
Bei Pferden verlaufen die Infektionen meist klinisch unauffällig, bei einem geringen Prozentsatz können Fieber, Appetitlosigkeit und Depression auftreten, die jedoch meist unbeachtet bleiben. Bei einzelnen Tieren können unspezifische leichte bis schwere neurologische Symptome auftreten, zumeist wenn das Fieber bereits abgeflaut ist. Schwerwiegende Verlaufsformen können zum Tod führen.
Therapie
Eine spezifische Therapie ist nicht möglich. Erkrankte Pferde können nur symptomatisch behandelt werden.
Vorbeugung
Als beste Vorbeugung einer Infektion gilt der Schutz der Pferde vor Stechmücken/Insekten. Es gibt zugelassene Impfstoffe in den betroffenen Regionen.
Situation in Österreich
Alle klinischen Formen der Equinen Enzephalomyelitiden sind in Österreich anzeigepflichtig. In Österreich wurde bislang bei Pferdeartigen bzw. anderen Tieren keine der angeführten Krankheiten nachgewiesen.
Fachinformation
Die amerikanischen Equinen Enzephalomyelitiden (Westliche, Östliche, Venezolanische Pferdeenzephalomyelitis) werden durch sogenannte Arboviren (durch Insekten übertragene - arthropode-borne - Viren) verursacht. Alle drei Viren gehören der Familie Togaviridae und der Gattung Alphavirus an. Sie sind allesamt behüllte, sphärische, einzelsträngige RNA-Viren mit positiver Polarität und einem Durchmesser von 70 nm.
Eastern Equine Encephalomyelitis (EEE) - EEE-Virus: ursprünglich 4 Subtypen, die Lineage 2-4 wurden kürzlich umbenannt zu Madariaga Virus
Western Equine Encephalomyelitis (WEE) – WEE-Virus: keine weiteren Subtypen
Venezuelan Equine Encephalomyelitis (VEE) – VEE-Virus: 6 verschiedene Subtypen, diese werden unterteilt in enzootische und epizootische Stämme (letztere entstehen durch Mutationen)
Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch blutsaugende Insekten (Mücken) wobei Pferde, Menschen und andere Säugetiere meist als Fehlwirte fungieren. Weitere Übertragungswege wurden auch durch Milben, Läuse, Flöhe und Raubwanzen beobachtet. Aber auch direkter Kontakt kann zu einer Übertragung führen (z. B. bei EEE durch Vögel oder bei VEE durch Menschen, Pferde und Nagetiere). Orale Übertragungswege sind bei Vögeln (z. B. Kannibalismus, Federpicken) bekannt und aerogene Übertragungswege von VEE auf Menschen (z. B. bei Ausmisten von Käfigen von Labornagern) sind ebenfalls bekannt. Die Pathogenese der amerikanischen Enzephalomyelitiden ist ähnlich.
Die erste Virusvermehrung erfolgt nach dem Mückenstich in den regionalen Blut- und Lymphgefäßen sowie Lymphknoten. Nach der ersten virämischen Phase kommt es zu einer zweiten Virusvermehrung in den Lymphknoten und Muskeln, wonach die zweite virämische Phase eine hämatogene Infektion des ZNS hervorruft. Im ZNS erfolgt die Virusvermehrung in den Neuronen, Gliazellen sowie Endothelzellen. Das Virus löst immunpathologische Reaktionen aus, wodurch in den Astrozyten die Synthese von Entzündungsmediatoren angeregt wird und in den betroffenen Neuronen verstärkt der programmierte Zelltod (Apoptose) eintritt.
Dementsprechend dominiert im ZNS das pathomorphologische Bild einer nicht-eitrigen Enzephalomyelitis, charakterisiert durch perivaskuläre Infiltrate (Lymphozyten, Histiozyten, im Frühstadium auch neutrophile Granulozyten), neuronale Degeneration und Neuronophagie.
Die Japanese Encephalitis (JE) wird ebenfalls durch ein Arbovirus verursacht. Der Erreger, das Japanese Encephalitis Virus (JEV) gehört zur Gattung Flavivirus der Familie Flaviviridae. JEV ist ein behülltes, sphärisches, einzelsträngiges RNA-Virus mit positiver Polarität und einem Durchmesser von 50 nm und gehört zur sog. Japanese Encephalitis-Serocomplex-Group mit weiteren bekannten Mitgliedern in diesem Komplex, wie dem West Nil Virus (WNV), dem St. Louis Encephalitis Virus (SLEV) und weiteren. Die Krankheit ist im Asiatischen Raum weit verbreitet, allerdings konnte sie auch kürzlich in westlichen Indien und in der Westpazifik-Region (Indonesische Inseln, Papua-Neuguinea, Nordaustralien) nachgewiesen werden.
Die Übertragung erfolgt durch Stechmücken wobei Wildvögel (Watvögel) und Schweine als Reservoir gelten. Menschen, Pferde und Hunde gelten als Fehlwirte, die das Virus nicht weiterverbreiten. Humanfälle korrelieren häufig mit Gebieten mit intensiver Schweinezucht, Bewässerungsanlagen sowie Reisfeldern. Die Pathogenese sowie die pathomorphologischen Befunde beim Pferd gleichen weitgehend der der amerikanischen Pferdeenzephalomyelitiden.
Bei allen vier Krankheiten ist das zoonotische Potential nicht zu vernachlässigen.
Symptomatik
Die klinischen Symptome sind keineswegs spezifisch und variieren individuell. Neben klinisch inapparenten Formen können Fieber, Anorexie und Depression auftreten, die jedoch meist unbeachtet bleiben.
Bei wenigen Tieren können unterschiedliche neurologische Störungen wie Hypersensitivität, unfreiwillige Muskelbewegungen, im Kreis laufen, Kopfpressen, Schluckbeschwerden, zentrale Erblindung, Ataxien, Paresen bis hin zu Paralysen/Konvulsionen, Festliegen mit paddelnden Bewegungen und gelegentlich Pruritus auftreten. Der Tod oder eine Euthanasie aufgrund starker Progression erfolgt nach 2-4 Tagen. Falls die Tiere überleben, zeigen sie meist mentale Defizite. Weiters werden gelegentlich Diarrhoe, Verstopfung und Gewichtsverlust beobachtet.
Von JE betroffene Sauen, können Abortieren oder Totgeburten zeigen, weisen jedoch keine spezifischen Befunde auf. Die Feten können mumifiziert sein, die lebensschwachen oder tot geborenen Ferkel können einen Hydrocephalus (Wasserkopf) und eine Enzephalitis (Gehirnentzündung) aufweisen. Bei Ebern können gelegentlich Hoden- und Nebenhodenentzündungen beobachtet werden.
Diagnostik
Fatale progressive Enzephalomyelitis-Fälle werden neuropathologisch sowie molekularbiologisch untersucht. Bei einem Verdachtsfall werden entsprechende Gewebeproben (ZNS bei verendeten oder euthanasierten Tieren sowie Liquor und Blut von febrilen Tieren mit klinischen Symptomen gemäß Empfehlungen der WOAH) zur Bestätigung und weiteren Charakterisierung an das Europäische Referenzlabor (ANSES) geschickt. Als geeignete Organe für den Direktnachweis gelten Gehirn und ggf. Rückenmark. Idealerweise sollte der Pferdekopf und ggf. Liquor cerebrospinalis an das Nationale Referenzlabor übermittelt werden.
Bei einem JEV-Verdacht bei Schweinen sollte Abortmaterial eingeschickt werden.
Kontakt
Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling
- vetmed.moedling@ages.at
- +43 50 555-38112
-
2340 Mödling
Robert Koch-Gasse 17
Aktualisiert: 10.10.2023