AGES-Radar für Infektionskrankheiten - 29.08.2024

Zusammenfassung

Im Thema des Monats schildern wir die Hintergründe zu Mpox und warum die WHO zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren eine Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat.

Mit Stand 27.08.2024 wurden in Österreich 10.374 Keuchhusten-Fälle gemeldet. Mehr als jeder dritte betroffene Säugling wurde im Spital behandelt.

Seit Juli werden in Österreich West-Nil-Fieber-Fälle festgestellt, bei denen die Infektion in Österreich erfolgt ist.

Für SARS-CoV-2 wird im Abwasser und im Sentinel-System weiterhin eine Zunahme beobachtet.

Noch immer werden in Österreich vereinzelt neue Masern-Fälle gemeldet, insgesamt sind es heuer 497.

International geben wir Updates zu den Ausbrüchen der Aviären Influenza in den USA und dem Oropouche-Virus.

Gleichzeitig mit diesem Radar werden die Jahresberichte zu Botulismus, Polio, Salmonellen und lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen veröffentlicht.

Situation in Österreich

Im Juli 2024 wurden in Österreich die ersten Fälle von West-Nil-Fieber dieses Jahres registriert, mit Stand 27.08. waren elf Infektionen bei Menschen bestätigt. Betroffen waren ausschließlich Erwachsene im Osten Österreichs.

Sechs dieser Fälle wurden bei routinemäßigen Untersuchungen von Spenderblut bei Blutspendern identifiziert. Einige Fälle wurden aufgrund neurologischer Symptomatik diagnostiziert und stationär behandelt. Zwei Fälle sind importiert.

Das West-Nil-Virus (WNV) wird durch Gelsen (Stechmücken der Gattung Culex) übertragen.

Im Rahmen eines von der AGES durchgeführten Überwachungsprogramms wurden Fallen in ganz Österreich und zusätzlich gezielt in Gärten von einigen der Fälle aufgestellt. Bei den einigen tausend heuer schon gefangenen und auf das WNV untersuchten Gelsen konnte das Virus bisher noch nicht nachgewiesen werden.

Neben Österreich haben elf weitere europäische Länder Fälle von West-Nil-Fieber gemeldet. ECDC ruft alle Länder auf, die Sicherheit von Blutspenden zu überwachen, beobachtet die Entwicklung und betreibt ein aktuelles Dashboard.

Für Menschen gibt es keinen zugelassenen Impfstoff. Als Vorbeugung sollte versucht werden, Gelsenstiche zu vermeiden (lange Kleidung, Verwenden von Repellents).

In Österreich nimmt die SARS-CoV-2-Aktivität weiterhin zu.

Seit Juni ist es im österreichischen Abwasser zu einem Anstieg der SARS‑CoV‑2-Konzentration gekommen. Die Positivitätsrate in den Sentinelproben der SARS‑CoV-2-Überwachung in Österreich liegt seit Kalenderwoche 26 über 10 %, Mitte August erreichte sie knapp 25 %. Die Positivitätsrate zeigt an, wie viele der im System erfassten Proben von Patient:innen mit akuten Atemwegsinfektionen positiv auf SARS-CoV-2 getestet werden. Bei den stationären Krankenhausaufnahmen hat es in den letzten Wochen eine leichte Zunahme gegeben, allerdings weiterhin auf niedrigem Niveau.

Der derzeitige Trend in den europäischen Ländern ist uneinheitlich. Während in einigen Ländern weiterhin ein Anstieg der SARS-CoV-2-Aktivität beobachtet wird, melden andere wieder abnehmende Trends. Die Auswirkungen der steigenden SARS-CoV-2-Aktivität auf Hospitalisierungen und Mortalität waren insgesamt gering. (Stand: 27.08.2024)

Weltweit dominieren derzeit die BA.2.86 Variante und deren Sublinien, inkl. KP.3. Besonders die von der WHO als „Variants under monitoring“ (VUM) klassifizierten Varianten KP.3.1.1 und LB.1 weisen ein starkes Wachstum auf. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) geht nicht davon aus, dass sich KP.3 auf die Infektionsschwere oder die Wirksamkeit des Impfstoffs auswirkt.

Die Situation wird von den europäischen Ländern genau beobachtet. Sie wird derzeit als nicht besorgniserregend eingestuft.

Aufgrund der zunehmenden SARS-CoV-2-Aktivität wird das Tragen einer Maske empfohlen, wenn enge Kontakte mit vielen Menschen indoor nicht vermieden werden können, z.B. am Flughafen oder im Flugzeug.

Der an die JN.1-Variante angepasste Impfstoff ist in Österreich eingetroffen und kann von Impfstellen bestellt und verimpft werden. Empfohlen wird eine einmalige Impfung für alle Personen ab dem vollendeten 12. Lebensjahr, besonders für Risikopersonen und Menschen ab 60 Jahren. Details zur COVID-19-Impfung finden Sie in der aktualisierten Empfehlung vom 18.07.2024.

erviss.org

Coronavirus - AGES

Impfplan Österreich (sozialministerium.at)

 

Die Pertussis-Zahlen sind in Österreich und vielen Ländern Europas im Jahr 2024 massiv angestiegen, auch in Ländern mit hoher Durchimpfungsrate. Details dazu haben wir im AGES-Radar vom 28.03.24 dargestellt.

Während im gesamten Vorjahr 2.791 Fälle in Österreich gemeldet wurden, sind es heuer bisher bereits 10.374 Pertussis-Erkrankungen (Stand: 27.08.2024).

Fast 40 % der Erkrankten unter einem Jahr wurden ins Krankenhaus eingewiesen, über alle Altersgruppen hinweg waren es 6,2 % (Stand 21.08.2024). Pertussis ist keine reine Kinderkrankheit, auch bei Erwachsenen kann sie mit starkem Leidensdruck einhergehen. In der Altersgruppe 60+ gibt es ein relevantes Risiko für Hospitalisierung.

Die Impfung ist in Österreich für Kinder im kostenfreien Impfprogramm enthalten. Die Impfung dient in erster Linie dem Schutz von Säuglingen und Kleinkindern vor einem schweren Verlauf und Tod. Die Grundimmunisierung im Säuglingsalter sollte im Volksschulalter, bevorzugt mit Schuleintritt, aufgefrischt werden. Damit der Impfschutz aufrecht bleibt, sollte die Impfung regelmäßig, bis zum vollendeten 60. Lebensjahr alle zehn Jahre und ab dem vollendeten 60. Lebensjahr alle fünf Jahre, aufgefrischt werden. Die Pertussis-Impfung wird allen Personen empfohlen.

Um Säuglinge in den ersten Lebensmonaten zu schützen, wird insbesondere schwangeren Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel die Impfung nahegelegt, unabhängig vom Abstand zur letzten Pertussis-Impfung. Dadurch erhalten Neugeborene durch mütterliche Antikörper einen Schutz.

Weiterführende Informationen zur Pertussis-Impfung finden Sie im Impfplan Österreich 2023/2024 Version 2.0 (sozialministerium.at).

Keuchhusten (Pertussis) - AGES

 

Im Jahr 2024 wurden bisher 497 Masern-Fälle registriert. Die AGES aktualisiert hier wöchentlich die Daten. Die Zahl der Neuinfektionen ist seit einigen Wochen gering, dennoch muss weiterhin mit Erkrankungen gerechnet werden. Viele der neuen Fälle sind aus anderen europäischen Ländern importiert.

Informationen zur Masern-Mumps-Röteln-Impfung finden Sie im Impfplan Österreich 2023/2024 (sozialministerium.at).

 

Internationale Ausbrüche

Am 25. März 2024 wurde erstmals ein Ausbruch der A(H5N1)-Vogelgrippe bei Milchkühen in mehreren US-Bundesstaaten gemeldet. Dies war das erste Mal, dass diese Vogelgrippeviren bei Kühen gefunden wurden.

Im April 2024 bestätigte das CDC eine Infektion mit dem A(H5N1)-Virus bei einer Person, die Kontakt zu Milchkühen in Texas hatte. Hierbei handelte es sich um den ersten bestätigten Fall einer Übertragung des A(H5N1)-Virus von Säugetieren auf den Menschen.

Seitdem wurde das Virus in  191 Milchkuh-Herden in 13 US-Bundesstaaten nachgewiesen (Stand: 27.08.2024). Auch in Geflügelfarmen wurde das H5N1-Virus nachgewiesen. Im Zusammenhang mit den Ausbrüchen bei Milchkühen und Geflügel kam es in den letzten Monaten zu insgesamt zehn bestätigten Übertragungen auf Menschen, Arbeitern in den jeweiligen betroffenen Betrieben. Wir haben in den vergangenen vier Ausgaben des AGES-Radars ausführlich berichtet.

Zwischen März und 10. August 2024 wurden in den USA mindestens 4.500 Personen mit Kontakt zu Milchkühen und/oder Geflügel überwacht, mindestens 230 Personen wurden auf das Influenza A-Virus getestet. Seit dem AGES-Radar vom 25.07.2024 sind keine weiteren Humanfälle von Influenza A(H5N1) in den USA bekannt geworden.

In stichprobenartigen Untersuchungen von Milchprodukten im US-amerikanischen Einzelhandel konnte in einigen Proben Virus-RNA nachgewiesen werden, allerdings keine lebenden Viren. Die bestehenden Pasteurisierungsmethoden scheinen das Virus wirksam zu inaktivieren.

Es gibt in Europa keine gemeldeten Ausbrüche aviärer Influenza bei Rindern oder Virusnachweise in Milchprodukten. 

Aviäre Influenza ist in Österreich meldepflichtig und wird überwacht. Um das seltene Ereignis einer menschlichen Infektion mit aviärer Influenza so schnell wie möglich richtig einzuordnen, wird Ärzt:innen empfohlen, bei Patient:innen mit unklaren oder grippeähnlichen Symptomen nach Kontakt zu Vögeln oder anderen Tieren in den letzten zwei Wochen zu fragen.

Weitere Informationen zur aviären Influenza in Österreich finden Sie im Tierseuchenradar.

H5 Bird Flu: Current Situation | Bird Flu | CDC

Current H5N1 Bird Flu Situation in Dairy Cows | Bird Flu | CDC

 

 

Nachdem Italien im Juni den ersten importierten Oropouche-Fall Europas verzeichnete, hat die Zahl der nach Europa importierten Fälle deutlich zugenommen. Mit Stand 09.08.2024 verzeichnete das ECDC insgesamt 19 Oropouche-Fälle in drei Ländern: Spanien (12), Italien (5) und Deutschland (2). Achtzehn der infizierten Personen waren von einer Reise nach Kuba zurückgekehrt und eine aus Brasilien.

Das OROV zirkuliert in Zentral- und Südamerika, und war bisher vor allem im Amazonasbecken heimisch. Dieses Jahr steigen die OROV-Fälle markant an, auch in Regionen, die zuvor nicht betroffen waren, unter anderem Bolivien und Kuba. Dies wird durch Veränderungen des Ökosystems und durch den Klimawandel verstärkt. Gleichzeitig sorgen verbesserte Laborkapazitäten und eine erhöhte Aufmerksamkeit dafür, dass mehr Fälle erkannt werden können.

In der WHO-Region Amerika (umfasst alle Länder des amerikanischen Kontinents) wurden bis Ende Juli 8.078 Oropouche-Fälle bestätigt. Brasilien ist besonders betroffen und verzeichnete im Juli auch die ersten offiziellen Oropouche-Todesfälle seit Entdeckung des Virus. Außerdem werden seit Juni vermehrt Fehl- bzw. Totgeburten und Fälle neurologischer Defekte bei Neugeborenen von Müttern mit Oropouche-Infektion gemeldet. Daher hat die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) hat im August die epidemiologische Risikostufe von moderat auf hoch hinaufgestuft. Die Mitgliedstaaten sind dazu aufgerufen, die Überwachung des Virus zu verstärken und vermehrt auf Labordiagnosen zu setzen, damit die Fälle besser identifiziert werden können. Auch die WHO schätzt das Risiko auf regionalem Level als hoch ein.

Ob eine vertikale Transmission vorkommt, also die Ansteckung des ungeborenen Kindes noch im Mutterleib, wird derzeit untersucht und ist noch nicht bestätigt.

Das ECDC schätzt das Risiko einer OROV-Infektion für Personen, die nach Süd- und Mittelamerika, oder in die Karibik reisen, derzeit als moderat ein. Das Risiko steigt für diejenigen, die stark betroffene Gebiete besuchen, insbesondere in den nördlichen Bundesstaaten Brasiliens oder im Amazonasgebiet, und/oder für diejenigen, die keine angemessenen persönlichen Schutzmaßnahmen ergreifen. Maßnahmen wie das Verwenden von Insektenschutzmitteln, das Tragen langer Kleidung und das Schlafen unter einem mit Insektenschutzmittel behandelten Moskitonetz, sind essenziell, um das Risiko von Stichen und damit Infektionen zu verringern.

Die Vektoren des Oropouche-Virus kommen in Europa nicht vor. Das Risiko einer lokal erworbenen OROV-Erkrankung in der EU/im EWR wird vom ECDC als gering eingeschätzt.

Mehr Details zu Oropouche finden Sie im AGES-Radar vom 27.06.2024 und im AGES-Radar vom 25.07.2024.

EU/EEA travellers advised to exercise caution when visiting Oropouche virus disease epidemic areas (europa.eu)

Threat assessment brief: Oropouche virus disease cases imported to the European Union (europa.eu)

Epidemiological Alert Oropouche in the Region of the Americas - 1 August 2024 - PAHO/WHO | Pan American Health Organization

Oropouche virus disease - Region of the Americas (who.int)

Mysterious Oropouche virus is spreading: what you should know (nature.com)

RKI - Archiv 2024 - Epidemiologisches Bulletin 31/2024

 

Thema des Monats

Aufgrund steigender Mpox-Fallzahlen in mehreren afrikanischen Staaten, ausgelöst durch die Mpox-Virus-Klade Ib, hat die WHO am 14.08.2024 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite für Mpox ausgerufen. Besonders betroffen von dem Anstieg an Fällen ist die Demokratischen Republik Kongo (DRK).

Im August wurden in Schweden und Thailand die ersten Mpox-Fälle der Klade I außerhalb Afrikas nachgewiesen. Es handelt sich dabei um importierte Fälle, die infizierten Personen hatten sich zuvor in jener Region Afrikas aufgehalten, in der derzeit der Mpox-Ausbruch verzeichnet wird.

In Österreich wurde bis Stand 27.08.2024 kein Mpox-Fall der Klade I registriert. Im Jahr 2024 wurden bisher zehn Mpox-Fälle der Klade II gemeldet (AGES, Stand: 27.08.2024)

„Monkeypox“ kommt nicht von Affen                                              

„Monkeypox“ bzw. „Affenpocken“ ist eine Fehlbenennung. Die natürlichen Wirte des Mpox-Virus (MPXV) sind hauptsächlich kleine, waldbewohnende Nagetiere, wie afrikanische Streifenhörnchen, Siebenschläfer oder Gambia-Riesenhamsterratten. Der Name „Affenpocken“ entstand 1958 als ein dänisches Labor das Virus in asiatischen Affen erstmals entdeckte. Primaten – und damit auch der Mensch - sind Fehlwirte des MPXV. Die WHO veröffentlichte 2015 „best practice“ Richtlinien zur Benennung neuer Infektionskrankheiten. In diesen wird davon abgeraten, Infektionskrankheiten nach geografischen Orten, Personennamen oder Tieren zu benennen. Um u.a. Fehlinterpretationen, Stigmatisierung und Rassismus zu reduzieren und zu vermeiden, wurde der seit der Entdeckung des Virus genutzte Name „Monkeypox“ bzw. „Affenpocken“ im November 2022 von der WHO zu „Mpox“ umgeändert.

Gesundheitliche Notlage von internationaler Trageweite

Die am 14.08.2024 von der WHO deklarierte „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“, in Englisch „Public health emergency of international concern“ (PHEIC), ist bereits die zweite in zwei Jahren in Bezug auf Mpox. Im Jahr 2022 rief die WHO aufgrund eines länderübergreifenden Mpox-Ausbruchs, von dem insbesondere Europa betroffen war, eine PHEIC aus. Diese wurde im Mai 2023 wieder aufgehoben.

Die PHEIC ist die höchste Alarmstufe der WHO. Sie wird ausgerufen, wenn ein Krankheitsausbruch als schwerwiegend und ungewöhnlich gilt, das Potenzial hat, sich grenzüberschreitend auszubreiten, und wahrscheinlich internationale Maßnahmen zu seiner Eindämmung erforderlich sind. Anfang 2020 wurde der COVID-19-Ausbruch ebenfalls so klassifiziert. Durch das Ausrufen einer PHEIC fordert die WHO die Länder der Welt dazu auf, zusammenzuarbeiten und Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Überwachung des Virus zu verbessern, Infizierte zu behandeln und den Ausbruch der Krankheit zu stoppen.

Aktueller Ausbruch – was ist anders?

Der aktuelle Mpox-Ausbruch unterscheidet sich in einigen Aspekten von jenem vor zwei Jahren.

Der internationale Mpox-Ausbruch 2022/2023 wurde durch die MPXV-Klade II verursacht und betraf hauptsächlich Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Sexueller Kontakt war bei diesem Ausbruch der hauptsächliche Übertragungsweg. Die Todesrate war geringer als im derzeitigen Ausbruch. Durch intensive und gezielte Public Health Bemühungen und dem Aufbau einer natürlichen Immunität konnte der Ausbruch schließlich unter Kontrolle gebracht werden. (RKI) Während bis Ende Juli 2022 noch 132 Mpox-Fälle der Klade II in Österreich registriert wurden, waren es im selben Zeitraum dieses Jahr nur noch zehn.

Dem aktuellen Ausbruch, der sich derzeit noch größtenteils auf Afrika beschränkt, liegen die MPXV-Kladen Ia und Ib zugrunde. Wie genau die Kladen Ia und Ib übertragen werden, ist noch nicht vollständig geklärt. Es scheinen sowohl sexuelle Kontakte als auch enge Kontakte, u.a. in Gesundheitseinrichtungen oder innerhalb des Haushalts, eine Rolle zu spielen. Anders als bei dem Ausbruch von 2022/2023, sind in dem aktuellen Ausbruch auch Kinder betroffen. Sie weisen die höchste Wahrscheinlichkeit auf, an Mpox zu sterben. Die Klade Ib ist im Jahr 2023 erstmals in der DRK aufgetaucht und breitet sich seitdem rasch aus. Die genetische Sequenzierung ist zwar nicht für alle Länder verfügbar, jedoch wurde die neue Variante (Klade 1b) bereits in Ruanda, Uganda und Kenia bestätigt (ECDC). Allein im Jahr 2024 wurden aus 13 afrikanischen Ländern 20.720 Fälle und 582 Todesfälle gemeldet. Besonders betroffen ist die DRK mit 19.667 Fällen und 575 Todesfällen. (Africa CDC, Stand: 23.08.2024)  

Außerhalb Afrikas wurden bisher nur zwei Mpox-Fälle der Klade I nachgewiesen. Dabei handelte es sich um eine Person in Schweden und eine weitere in Thailand, die sich während eines Aufenthaltes in jener Region Afrikas infiziert hatten, in welcher der derzeitige Ausbruch stattfindet.

Laut ECDC ist es sehr wahrscheinlich, dass in der EU bzw. im EWR mehr importierte Mpox-Fälle der MPXV-Klade I auftreten werden. Vorausgesetzt, dass importierte Fälle schnell diagnostiziert und Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden, schätzt das ECDC die Wahrscheinlichkeit weiterer Übertragungen in Europa als sehr gering ein.  

Ausbreitung und Eindämmung

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum es derzeit zu so einem großen Mpox-Ausbruch kommt. Dazu zählt u.a. der abnehmende Immunschutz durch die Pockenimpfung. Die Pockenimpfung bietet einen Kreuzschutz gegen Mpox, jedoch ist eine Immunität laut WHO nur bei Personen im Alter von 42 Jahren oder älter gegeben. Nachdem die Pocken im Jahr 1980 ausgerottet waren, wurden Impfprogramme eingestellt und auch eine natürliche Pockenexposition war nicht mehr gegeben.

Mpox sind allerdings keine neue Krankheit. Seitdem im Jahr 1970 der erste menschliche Fall in der DRK detektiert wurde, kam es immer wieder zu regional begrenzten Ausbrüchen, denen Tier-zu-Mensch-Übertragungen zugrunde lagen. Ab 2017 berichtete Nigeria über Mensch-zu-Mensch-Übertragungen, zu einem großen Teil durch sexuelle Kontakte. Zwischen 2018 und 2021 kam es auch zu vereinzelten Mpox-Fällen im Vereinigten Königreich, USA, Singapur und Israel. Seitdem sich die Klade II im Jahr 2022 in zahlreichen Industrieländern ausbreitete, wird erstmals auch intensiv in die Forschung zu dem Thema investiert. Innerhalb von zwei Jahren wurden mehr wissenschaftliche Studien veröffentlicht als in einem halben Jahrhundert zuvor.

Die Europäische Kommission koordiniert derzeit die Beschaffung und Spende von 215.000 Impfstoffdosen zur Unterstützung des Afrikanischen CDC bei der Bekämpfung des Mpox-Ausbruchs in den betroffenen Ländern Afrikas. Der Impfhersteller Bavarian Nordic und die Afrikanischen CDC befinden sich in Gesprächen bezüglich eines Technologietransfers, der es afrikanischen Herstellern ermöglichen soll, den Impfstoff selbst zu produzieren.

In Österreich steht eine Impfung zur Verfügung, die vom nationalen Impfgremium (NIG) derzeit jedoch ausschließlich für Risikopersonen empfohlen wird.

Mpox (Affenpocken) - AGES

WHO Director-General declares mpox outbreak a public health emergency of international concern

The Resurgence of Mpox in Africa | Global Health | JAMA | JAMA Network

Weiterführende Informationen zur Mpox-Impfung finden Sie im Impfplan Österreich 2023/2024 Version 2.0 (sozialministerium.at)

 

Meldungen

Eine im August in „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlichte Studie untersuchte, wie viele Leben in der WHO Region Europa zwischen Dezember 2020 und März 2023 durch die Impfung erwachsener Personen gerettet wurden. Mitautor:innen aus Österreich waren Bernhard Benka, von der AGES, und Monika Redlberger-Fritz von der Meduni Wien.

Eingeschlossen in diese retrospektive Beobachtungsstudie wurden jene Länder der WHO Region Europa, die vollständige Daten bereitstellen konnten. Dies war bei 34 von 54 Ländern der Fall. Berücksichtigt wurden sechs Altersgruppen ab 25 Jahre.

In den 34 Ländern mit vollständigen Daten senkten die COVID-19-Impfungen Todesfälle um 59 %. Umgerechnet in absolute Zahlen stellt dies rund 1,6 Millionen gerettete Leben dar. Dabei machten die über 60-Jährigen den größten Anteil aus. Die meisten Leben wurden mit dem ersten Booster und während der Omikron-Welle gerettet, was die Bedeutung eines regelmäßig aktualisierten Impfschutzes für die Risikogruppen unterstreicht.

Estimated number of lives directly saved by COVID-19 vaccination programmes in the WHO European Region from December, 2020, to March, 2023: a retrospective surveillance study - ScienceDirect

 

 

Eine im August 2024 veröffentlichte Studie untersuchte drei verlängerte Ausbrüche von Pseudomonas aeruginosa in einem Krankenhaus in Oberösterreich zwischen 2017 und 2023. Erstautorin war die AGES-Mitarbeiterin Adriana Cabal.

Im Frühjahr 2022 wurden vermehrt Pseudomonas aeruginosa-Infektionen in einem oberösterreichischen Krankenhaus detektiert. Eine Ganzgenomsequenzierung ermöglichte die Identifikation von drei verlängerten Clustern, die als drei unterschiedliche Ausbrüche erkannt wurden.

Antibiotikaresistente P. aeruginosa verbreiten sich normalerweise durch Biofilme in den Wasserleitungen und sind in jedem Krankenhaus zu finden, weshalb ihr Auftreten nicht ungewöhnlich ist. Die vom Krankenhaus durchgeführten Hygienekontrollen sowie verstärkte Händehygiene, Desinfektion und Isolierung von Patienten wurden rasch als Kontrollmaßnahmen umgesetzt. Infolgedessen traten keine weiteren Fälle auf, und die Ausbrüche wurden erfolgreich für beendet erklärt.

Die Studie unterstreicht die Bedeutung der genomischen Überwachung und der erfolgreichen Umsetzung von Kontroll- und Präventionsmaßnahmen bei der Bewältigung solcher Infektionen.

Three prolonged outbreaks of metallo-β-lactamase-producing Pseudomonas aeruginosa in an Upper Austrian hospital, 2017–2023 (asm.org)

 

Am 29.08.2024 wurde der AGES-Jahresbericht 2023 zu Botulismus veröffentlicht.

Im vergangenen Jahr wurden von der Nationalen Referenzzentrale für Botulismus in Österreich zwei Fälle von humanem Botulismus dokumentiert. Botulismus wird ausgelöst durch ein Neurotoxin (Nervengift), das vor allem vom Bakterium Clostridium botulinum gebildet wird. Dieses Botulinum Neurotoxin gilt als die giftigste aller natürlich vorkommenden Substanzen.

Im Dezember 2023 wurde ein 41-jährigen Mann mit für Botulismus typischen Symptomen wie Schluckstörungen und Doppelbildern ins Krankenhaus aufgenommen. In einer Stuhlprobe konnte Botulinum Neurotoxin-Gen B nachgewiesen werden. Die Infektionsquelle konnte nicht ermittelt werden, unter intensivmedizinischer Therapie kam es zur Besserung der Symptome.

Der zweite Fall – eine 34-jährige Frau, die sich in der Türkei zur Gewichtsabnahme intra-gastrisches Botulinum Neurotoxin A verabreichen hatte lassen – war Teil eines internationalen Ausbruches von Botulismus, an dem 34 Personen nach derartigen Eingriffen erkrankten. Durch ärztliche Eingriffe verursachte (iatrogene) Botulismus-Fälle sind in Österreich nicht meldepflichtig.

Clostridium botulinum - AGES

 

Am 29.08.2024 wurde der AGES-Jahresbericht 2023 zu Salmonellen veröffentlicht.

Im Jahr 2023 wurden 1.218 humane Salmonellenerstisolate an die Nationale Referenzzentrale eingesandt. Die Zunahme der Gesamtzahl eingeschickter Erstisolate entspricht einem Anstieg um 4,5% gegenüber 2022.

Insgesamt war Salmonella (S.) Enteritidis der häufigste Serotyp (45,1%).

Es gab 2023 mehrere Ausbrüche im Zusammenhang mit dem Verzehr von polnischem Hühnerfleisch, darunter auch ein Todesfall. Österreich war weiters beteiligt an einem länderübergreifenden Ausbruch, bei dem italienische Bio-Cherrytomaten an der Rispe als Infektionsquelle vermutet werden. Außerdem konnten mehrere reise‑assoziierte Ausbrüche aufgeklärt werden.

Der Anteil an multiresistenten Isolaten lag bei 12,0%. High-Level Resistenzen gegen Ciprofloxacin sowie Resistenzen gegen Cephalosporine der dritten Generation (Cefotaxim, Ceftazidim) traten nur vereinzelt auf (<1%).

Salmonellen - AGES

 

Am 29.08.2024 wurde der AGES-Jahresbericht 2023 der Nationalen Referenzzentrale für Polioviren (NRZP) veröffentlicht.

Zu den wesentlichen Aufgaben der Referenzzentrale zählt die flächendeckende Durchführung der Überwachung von Fällen mit akuter schlaffer Lähmung (AFP). In den Stuhlproben der zwei im Jahr 2023 gemeldeten AFP-Fälle, konnten keine Enteroviren nachgewiesen werden.

Außerdem wurden im Jahr 2023 insgesamt 19.387 Proben mittels Virusisolierung oder molekularbiologischer Methoden auf Enteroviren untersucht. Poliovirus wurde in keiner Probe detektiert.

Die Europäische Region der WHO gilt mit dem Jahr 2023 seit über 20 Jahren als poliofrei.

Kinderlähmung - AGES

Als lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch (LMbKA) werden zwei oder mehrere Infektionsgeschehen zusammengefasst, die durch den Verzehr des gleichen Lebensmittels oder eines Lebensmittels von demselben Lebensmittelunternehmer verursacht wurden.

Im Jahr 2023 wurden insgesamt 42 lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche in Österreich gemeldet, um 14 mehr als im Vorjahr. Davon betroffen waren 222 Personen. Achtunddreißig Personen mussten hospitalisiert werden, es gab einen Todesfall. Die Anzahl der Ausbrüche stieg im Vergleich zu den Vorjahren weiter an. Salmonella spp. verursachte mit 21 die meisten Ausbrüche, gefolgt von Campylobacter spp. (12 Ausbrüche). Fünf Ausbrüche wurden durch Shigatoxin bildende E. coli (STEC) und je einer durch Listeria monocytogenes und Yersinia enterocolitica verursacht. Zwei Ausbrüche wurden Noroviren zugeordnet.

Bei zwölf Ausbrüchen gelang es, eine starke Evidenz zwischen den Ausbruchsfällen und Lebensmitteln bzw. einem Lebensmittelunternehmen herzustellen. Seit 2009 standen fast 50 % der Ausbrüche mit starker Evidenz mit Geflügelprodukten (Fleisch und Eier) in Verbindung. Privathaushalte stellen für diese Ausbrüche die häufigsten Orte dar, wo sich die betroffenen Personen infizierten.

Sechzehn Ausbrüche waren mit Auslandsaufenthalten assoziiert.

Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche - AGES

Sicher kochen - AGES

Fachbegriff Epidemiologie

Die Inkubationszeit ist die Zeit zwischen der Aufnahme bzw. dem Eindringen eines Erregers und dem Auftreten der ersten Symptome einer Erkrankung. Die Inkubationszeit kann bei einigen Erkrankungen stark variieren, daher wird sie zumeist mit einer deutlichen Spanne angegeben; bei Mpox bspw. treten erste Symptome 1-21 Tage nach dem Kontakt mit dem Infektionserreger auf.

Manche Erreger können bereits innerhalb der Inkubationszeit wieder weitergegeben werden. Das bedeutet, dass die infizierte Person bereits ansteckend ist, noch bevor erste Symptome auftreten. Die Inkubationszeit ist eine wichtige epidemiologische Größe, sie hat Einfluss auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit eines Erregers und folglich auch auf die Maßnahmen, mit denen die Ausbreitung gebremst werden soll, etwa Quarantäneregeln.

Über das Radar

Das AGES-Radar für Infektionskrankheiten erscheint monatlich. Ziel ist es, der interessierten Öffentlichkeit einen raschen Überblick zu aktuellen Infektionskrankheiten in Österreich und der Welt zu geben. Die Krankheiten werden kurz beschrieben, die aktuelle Situation wird geschildert und, wo es sinnvoll und möglich ist, wird das Risiko eingeschätzt. Links führen zu tiefergehenden Informationen. Im "Thema des Monats" wird jeweils ein Aspekt zu Infektionskrankheiten genauer betrachtet.

Wie wird das AGES-Radar für Infektionskrankheiten erstellt?

Wer: Das Radar ist eine Kooperation der AGES-Bereiche „Öffentliche Gesundheit“ und Risikokommunikation.

Was: Ausbrüche und Situationsbewertungen von Infektionskrankheiten:

  • National: Basierend auf Daten aus dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS), der Ausbruchsabklärung und regelmäßigen Berichten der AGES und der Referenzlabore
  • International: Basierend auf strukturierter Recherche
  • Thema der Woche (Jahresplanung)
  • Meldungen zu wissenschaftlichen Publikationen und Events

Weitere Quellen:

Akute infektiöse respiratorische Erkrankungen treten in der kalten Jahreszeit vermehrt auf, darunter COVID-19, Influenza und RSV. Diese Erkrankungen werden über verschiedene Systeme beobachtet, wie dem Diagnostischen Influenza Netzwerk Österreich (DINÖ), dem ILI-(Influenza-like-Illness)-Sentinel-System und dem Österreichischen RSV-Netzwerk (ÖRSN). Die Situation in den Krankenhäusern wird über das SARI-(Schwere Akute Respiratorische Erkrankungen)-Dashboard erfasst.

Österreichische Labore schicken SARS-CoV-2-Proben zur Sequenzierung an die AGES. Die Ergebnisse der Sequenzierung werden regelmäßig auf der AGES-Website veröffentlicht. 

Für die internationalen Berichte werden Gesundheitsorganisationen (WHO, ECDC, CDC, …) Fachmedien, internationale Presse, Newsletter und Social Media routenmäßig beobachtet.

Für Infektionserkrankungen in Österreich erfolgt die Einschätzung der Situation durch die Expert:innen der AGES, ebenso für internationale Ausbrüche, für die keine Einschätzung von WHO oder ECDC vorliegen.

Disclaimer: Die Themen werden nach redaktionellen Kriterien ausgewählt, es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Anregungen und Fragen an: wima@ages.at

Da die Antwort auf Anfragen ebenfalls zwischen allen Beteiligten (Wissensmanagement, INFE, Risikokommunikation) abgestimmt wird, bitten wir um etwas Geduld. Eine Antwort erfolgt innerhalb einer Woche.

Das nächste AGES-Radar erscheint am 26.09.2024.

Aktualisiert: 29.08.2024