Bisphenol A

Bisphenol A

Steckbrief

Beschreibung

Bisphenol A (BPA) wird in erster Linie als Baustein (Monomer) bei der Herstellung von Polycarbonat-Kunststoffen und Epoxidharzen durch Polymerisation (Reaktion, bei der sich Monomere miteinander verbinden und folglich Polymere entstehen) verwendet. Polymerisiertes BPA ist grundsätzlich chemisch stabil gebunden. Es kann allerdings unter bestimmten Umständen wieder freigesetzt werden. So können in diesen Materialien noch freie BPA-Reste in geringen Mengen enthalten sein und freigesetzt werden.

Vorkommen

Polycarbonat und Epoxidharze werden vielfältig eingesetzt. Polycarbonat verfügt über eine hohe Festigkeit, Zähigkeit, Härte, gute elektrische Isoliereigenschaften sowie über eine hohe Beständigkeit gegenüber Witterungs- und Strahlungseinflüssen. Aufgrund dieser Eigenschaften wird es beispielsweise im Fahrzeugbau, im Baugewerbe, in Verbraucherprodukten, wie z. B. DVDs sowie in Lebensmittelkontaktmaterialien, aus Polycarbonat, wie z. B. manchen Trinkflaschen und Behältern für Lebensmittel, eingesetzt.

Flüssige Epoxidharze reagieren unter Verwendung von Härtern zu harten, unlöslichen sowie chemikalienbeständigen Kunststoffen und werden beispielsweise in Klebstoffen, Lacken sowie als Innenbeschichtung von Konserven- und Getränkedosen verwendet. Außerdem wird BPA auch als Additiv (Zusatzstoff) in nicht gebundener Form beispielsweise in Bremsflüssigkeiten verwendet.

Gemäß einer Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahr 2015 stellen Lebensmittel die Hauptquelle von BPA (Aufnahme über die Ernährung) dar. Auch Thermopapier, aus dem beispielsweise Kassenzettel, Paketaufkleber oder Parktickets hergestellt wurden, war eine bedeutende Quelle von BPA (Aufnahme über die Haut). Dieses ist allerdings seit Jänner 2020 verboten und hat somit nun an Bedeutung als BPA-Quelle verloren.

Bei der Aufnahme von BPA über die Ernährung spielen Lebensmittelkontaktmaterialien  eine wichtige Rolle, da BPA aus diesen in Lebensmittel übergehen kann (Migration). Gemäß EFSA(2015) tragen Lebensmittelkonserven deutlich mehr zur Aufnahme von BPA bei als Lebensmittel, die nicht in Dosen abgefüllt sind. Bei jenen Lebensmitteln, die nicht in Dosen abgefüllt waren, zeigte sich, dass Fleisch und Fleischerzeugnisse sowie Fisch und Fischprodukte am meisten zur nahrungsbedingten BPA-Aufnahme beitragen.

Gesundheitsrisiko

Aufgrund seiner hormonähnlichen (insbesondere östrogenähnlichen) Wirkungsweise wurde Bisphenol A von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) als besonders besorgniserregende Substanz (Substance of Very High Concern=SVHC) mit hormonell schädigenden Eigenschaften (endokriner Disruptor) identifiziert.

Die akute Giftigkeit von BPA ist gering, hingegen haben sich bei einer langfristigen (chronischen) Aufnahme von BPA in Studien diverse negative gesundheitliche Effekte gezeigt. Gemäß der aktuellen Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahr 2023 sind schädigende Effekte u. a. auf das Immunsystem, Reproduktion und Entwicklung, das Nervensystem und den Stoffwechsel durch die nahrungsbedingte Aufnahme von BPA möglich.

 

Situation in Österreich

Gesetzliche Regelungen

BPA ist in der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 idgF. über Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff als Ausgangsstoff für die Erzeugung von Kunststoffen geregelt. Die Verwendung von BPA ist bei der Herstellung von Säuglingsflaschen, Trinkgefäßen und Flaschen für Säuglinge und Kleinkinder verboten.

Das österreichische Gesundheitsministerium hat darüber hinaus mit der Verordnung BGBl. 327/2011 idgF. die Verwendung von BPA auch in Beißringen und Beruhigungssaugern (Schnullern) untersagt. Dieses Verbot trägt sowohl unseren Untersuchungsergebnissen als auch Untersuchungen anderer Prüfinstitute Rechnung, die vor 2011 in solchen Produkten wiederholt Spuren von BPA nachgewiesen haben, und entspricht dem Prinzip des vorbeugenden Gesundheitsschutzes für Kleinkinder.

Seit dem 2. Januar 2020 darf Bisphenol A auf Basis der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 idgF. (Anhang XVII) in Thermopapier nicht mehr in einer Konzentration von 0,02 Gewichtsprozent und darüber in Verkehr gebracht werden.

Untersuchungen

Die Einhaltung der Verbote und vorgeschriebenen Migrationsgrenzwerte wird regelmäßig im Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrolle überprüft. In den vergangenen Jahren haben wir in einer Reihe von Schwerpunktaktionen Gegenstände mit Lebensmittelkontakt, Beruhigungssaugern und Lebensmittel untersucht, wobei in keiner der Proben eine Überschreitung des zu dem Zeitpunkt der Untersuchung geltenden spezifischen Migrationsgrenzwerts festgestellt wurde. In der zuletzt durchgeführten Untersuchung von epoxidharzbeschichteten Konservendosen wurde in einer Probe eine deutliche Überschreitung des spezifischen Migrationsgrenzwerts von BPA festgestellt

Fachinformation

EFSA Bewertung 2015

BPA wurde durch EU-Gremien bereits mehrfach bewertet, und es wurde ein TDI-Wert (Tolerable Daily Intake) festgelegt. Der TDI-Wert ist die geschätzte Menge eines chemischen Stoffs, die ein Leben lang täglich aufgenommen werden kann, ohne dass ein wesentliches Gesundheitsrisiko besteht.

Der ursprüngliche TDI-Wert war von der EFSA 2010 festgelegt worden und betrug 50 µg pro kg Körpergewicht und Tag. Anfang 2015 veröffentlichte die EFSA eine Neubewertung von BPA  mit einem neuen temporären TDI-Wert von 4 µg pro kg Körpergewicht und Tag.

Der TDI-Wert wurde von Niereneffekten bei Mäusen abgeleitet, die bereits in frühere Bewertungen eingegangen waren. Bei der Neubewertung wurde jedoch ein neuer Berechnungsansatz angewendet (Benchmark-Dose Lower Limit–Ansatz, BMDL) und es standen vor allem im toxikokinetischen Bereich neue genauere Daten zur Verfügung. Weiters wurden Unsicherheiten zu möglichen Auswirkungen auf Brustdrüse, Fortpflanzungsorgane, Stoffwechsel-, Nerven- und Immunsystem mit neuen Methoden quantifiziert und bei der Berechnung des TDI berücksichtigt.

Aufnahme

Die maximale Gesamtexposition bei Erwachsenen (einschließlich Frauen im gebärfähigen Alter) wurde beispielsweise auf 1,063 µg/kg Körpergewicht und Tag geschätzt. Jugendliche sind mit maximal 1,449 µg/kg pro Körpergewicht und Tag am höchsten exponiert. Die EFSA war 2015 der Ansicht, dass keine Gesundheitsbedenken bestehen, da die höchsten Schätzwerte für eine kombinierte orale und nicht-orale BPA-Exposition in allen Altersgruppen ca. drei- bis viermal niedriger liegen als der TDI-Wert von 4 µg pro kg Körpergewicht und Tag.

EFSA Bewertung 2023

Basierend auf neuen verfügbaren wissenschaftlichen Studien, die ab Jänner 2013 publiziert wurden, veröffentlichte die EFSA im April 2023 eine Neubewertung von BPA in Lebensmitteln, um den bis dato temporären TDI auf  einen vollständigen TDI-Wert festzulegen.

Neben potentiellen negativen gesundheitlichen Effekten von BPA beispielsweise auf Reproduktion, Entwicklung und Stoffwechsel wurden auch relevante Effekte auf das Immunsystem im Rahmen der Neubewertung berücksichtigt. Als sensibelster Endpunkt für die Ableitung des TDI wurde ein Anstieg bestimmter weißer Blutzellen, sogenannter T-Helfer-Zellen (Th17-Zellen), identifiziert, der mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von allergischer Lungenentzündung und Autoimmunerkrankungen verbunden sein kann. Im Rahmen der Neubewertung von BPA durch die EFSA wurde folglich der TDI auf 0,2 ng/kg KG/Tag herabgesetzt.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Anstieg an Th17-Zellen einen intermediären Endpunkt darstellt. Die EFSA weist auf entsprechende Unsicherheiten in der Ableitung dieses Endpunkts hin, stellt aber gleichzeitig fest, dass negative gesundheitliche Effekte in ähnlichen Dosisbereichen auch für andere Endpunkte wie Reproduktion, Entwicklung und Stoffwechsel festgestellt wurden. Daher wurde dieser Endpunkt als sensibelster Endpunkt herangezogen.

Der Vergleich des neuen TDIs mit der Exposition erfolgte auf Basis der Expositionsabschätzung aus dem Jahr 2015. Eine mögliche Reduktion der Exposition gegenüber BPA aufgrund entsprechender regulatorischer Minimierungsmaßnahmen konnte somit nicht evaluiert werden. Basierend auf der Expositionsabschätzung aus dem Jahr 2015 zeigte sich, dass die nahrungsbedingte Aufnahme von BPA bei allen Altersgruppen sowohl bei durchschnittlichem als auch bei hohem Verzehr deutlich über dem neu abgeleiteten TDI von 0,2 ng/kg KG/Tag lag. Daher bestehen gemäß EFSA gesundheitliche Bedenken aufgrund der nahrungsbedingten Exposition gegenüber BPA für alle Altersgruppen.

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Aktualisiert: 10.10.2023