Persistente organische Schadstoffe (engl. Persistent Organic Pollutants, kurz POP) sind schwer abbaubare Stoffe. Ihre Langlebigkeit und hohe Fettlöslichkeit führt zu einer Anreicherung in Menschen, Tieren und Umwelt. Darüber hinaus haben POP das Potential zum weiträumigen Transport über Luft und Wasser und können daher weltweit gefunden werden. POP weisen eine hohe Toxizität auf und können die Entstehung von Krebs fördern und das Immunsystem stören. Früher wurden sie in der Landwirtschaft und Industrie weit verbreitet eingesetzt, heute ist ihre Anwendung verboten oder auf spezielle Ausnahmen beschränkt. POPs werden aber auch unabsichtlich v. a. bei Verbrennungsprozessen produziert sowie bei vielen anderen anthropogenen Aktivitäten freigesetzt. Umweltkontaminationen durch POP haben häufig weitreichende Untersuchungen von Futter- und Lebensmitteln und mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit zur Folge.
In den vergangenen vier Jahren wurden zwei Projekte zum Monitoring von POP in verschiedenen Matrices von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit in Kooperation mit dem Umweltbundesamt im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie durchgeführt.
Ziel und Durchführung
Im Rahmen des ersten Projekts „POPMON - Identifizierung relevanter persistenter organischer Schadstoffe und potentiell belasteter Regionen als Basis für ein risikobasiertes Lebensmittel-Monitoring in Österreich“ wurden Industrie- und Abfallbehandlungsstandorte, Verdachtsflächen und Altlasten hinsichtlich einer möglichen Umweltkontamination durch POP in Österreich identifiziert. Im Folgeprojekt „POPMON II - Risikokommunikation und risikobasiertes Monitoring von persistenten organischen Schadstoffen in verschiedenen Umweltmatrices, Futter- und Lebensmitteln an potentiell belasteten Standorten in Österreich“ wurden in der ersten Phase in Grobszenarien Regionen für ein emissionsbasiertes Monitoring identifiziert und anschließend zwei Szenarien näher charakterisiert und ausgearbeitet. In der zweiten Phase wurden Proben verschiedener relevanter Matrices an den beiden Standorten gezogen und auf ausgewählte POP untersucht und bewertet. Planung und Durchführung erfolgte in Abstimmung mit den entsprechenden Ländervertreterinnen und -vertretern. Auffällige Ergebnisse wurden den entsprechenden Landesbehörden bereits während des Projekts mitgeteilt. Abschließend wurden mit den Ländervertreterinnen und -vertretern weitere Empfehlungen und Maßnahmen in einem Workshop erarbeitet.
Ergebnisse
Szenarium 1 war in der Abfallwirtschaft angesiedelt. Untersucht wurden an diesem Standort Luft (Deposition), Boden und tierische Lebensmittel.
Die Bodenuntersuchungen zeigten, dass erhöhte Bodenkonzentrationen für polychlorierte Dioxine, Furane und dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle (PCDD/F und dl-PCB) sowie nicht dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle (ndl-PCB) in der Nähe der Industriegebiete möglich sind. Generell war in den meisten Fällen eine Abnahme der Schadstoffkonzentrationen mit der Entfernung der möglichen Eintragsquellen festzustellen.
Die gemessenen Depositionskonzentrationen dokumentierten einen kontinuierlichen Eintrag der Schadstoffe in die Umwelt in der Nähe der Industriegebiete. Dabei fallen besonders höhere Werte für PCB auf, die mit den gemessenen Bodenkonzentrationen korrespondieren.
Bei den Flammschutzmitteln der polybromierten Diphenylether (PBDE) dominierte Decabromdiphenylether (BDE 209), aber auch Ersatzstoffe wie Decabromdiphenylethan, Dechloran Plus oder Hexabrombenzol wurden in fast allen Boden- und Depositionsproben nachgewiesen.
Zu beachten ist, dass es sich bei den Bodenanalysen um Einmalmessungen handelt und die Deposition über einen Zeitraum von nur vier Monaten gemessen wurde. Daher wären weiterführende Messungen zur Absicherung der Ergebnisse und Eingrenzung der Belastung sinnvoll.
Proben von lokal produzierten, vorwiegend tierischen Lebensmitteln wurden im Umkreis von bis zu 10 km um die Industriegebiete gezogen. Die vorliegenden Proben hielten die gesetzlichen Höchstgehalte für PCDD/F, dl-PCB, ndl-PCB und Chlorpestizide ein. PBDE, wie BDE 153 und BDE 126, konnten in geringen Mengen in neun von fünfzehn Lebensmittelproben gefunden werden. Zurzeit sind keine Höchstgehalte für PBDE in Lebensmitteln festgelegt. Hexabromcyclododecane, die bis 2016 als Flammschutzmittel in Polystyrol im Einsatz waren, konnten in den Lebensmittelproben nicht nachgewiesen werden. Nach derzeitigem Stand des Wissens kann kein Risiko ausgehend von obengenannten POP für die Gesundheit der Bevölkerung abgeleitet werden.
Szenarium 2 befasste sich mit einer Verunreinigung mit perfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS). Untersucht wurden an diesem Standort Grundwasser, Trinkwasser, Tränkwasser, Oberflächenwasser und tierische Lebensmittel. In den verschiedenen Wasserproben wurden teilweise erhöhte PFAS-Werte festgestellt, wobei die ausgewählten Stichproben Einmalmessungen waren und zu unterschiedlichen Probenahmezeitpunkten gewonnen wurden. Die Substanzen Perfluoroktansäure (PFOA), Perfluoroktansulfonsäure (PFOS), Perfluorbutansulfonsäure, Perfluorhexansulfonsäure, Perfluorpentansulfonsäure, Perfluorheptansäure, Perfluorhexansäure, Perfluorhexansulfonsäure, Perfluorpentansäure waren in fast jeder Wasserprobe bestimmbar. Der Parameterwert von 0,10 µg/l der EU-Trinkwasserrichtlinie für die Summe von 20 PFAS wurde von vier Trinkwasserproben überschritten. Unter der Annahme, dass die Bevölkerung ausschließlich dieses Trinkwasser konsumiert, konnte ein gesundheitliches Risiko für die Bevölkerung nicht ausgeschlossen werden. Die belasteten Trinkwasserbrunnen wurden vom Netz genommen.
Die lokal produzierten Lebensmitteln wurden auf PFAS, PCDD/F, dl-PCB, ndl-PCB und Chlorpestizide untersucht. Die Proben hielten die gesetzlichen Höchstgehalte für PCDD/F, dl-PCB, ndl-PCB und Chlorpestizide ein. PFAS wurden auch in den lokal produzierten Lebensmitteln gemessen; zurzeit sind hier noch keine Höchstgehalte festgelegt. Es konnte davon kein Risiko für die Bevölkerung abgeleitet werden.
Eine Befundaufklärung für Grund- und Trinkwasser und eine Abklärung der Ursache und Kontaminationspfade wurde hier als Folgeprojekt vorgeschlagen.
In einem weiteren Kapitel wurden die relevanten Rechtsmaterien, Zuständigkeiten und Informationspflichten in den Bereichen entlang der Lebensmittelkette dargestellt. Als Beispiele für Erfahrungen im Bereich der Risikokommunikation und des Krisenmanagements wurden der Kontaminationsfall Hexachlorbenzol im Görtschitztal 2014 in Kärnten und die Grundwasserverunreinigung von Ohlsdorf 2014 in Oberösterreich dargestellt. Bezugnehmend auf PFAS wird der Fall Rastatt in Baden-Württemberg 2013 (Deutschland) beschrieben.
Aufbauend auf diesen Erfahrungen wird empfohlen, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um in einem Notfall oder einer Krise schneller eine Koordinationsstelle einsetzen zu können. Diese Koordinationsstelle ist auch für die Krisenkommunikation von großem Vorteil, um koordiniert, kompetent und einheitlich Informationen zur Verfügung zu stellen und Vertrauensverlusten in der Öffentlichkeit vorzubeugen. Empfohlen wird auch, Umweltinformationen, welche für die Lebensmittelsicherheit relevant sind, strukturiert zu sammeln und verpflichtend auszutauschen. Lebensmittelrelevante Umweltmonitorings sollten weitergeführt bzw. ausgedehnt werden, um Kontaminationsursachen frühzeitig erkennen zu können. Dies ist wesentlich für eine Aufklärung, Sanierung und Verhinderung weiterer Verunreinigungen, die ansonsten unentdeckt bleiben und dabei Umwelt, Tiere und Menschen mit Schadstoffen belasten können.