Im März 2024 wurde in einer Zusammenarbeit der AGES mit dem Tauernklinikum Zell am See und der Paracelsus Medical University Salzburg der Fallbericht „Recurrent, ICD‑associated L. monocytogenes bacteraemia with multiple septic pulmonary embolisms over a 2‑year period“ veröffentlicht. Die AGES war an diesem Bericht mit dem Nationalen Referenzlabor für Listeriose, dem Nationalen Referenzlabor für Listeria monocytogenes und der Abteilung für Statistik und Analytische Epidemiologie beteiligt. Die AGES-Mitarbeiterinnen Astrid Füszl und Stefanie Schindler sind Erstaustorinnen dieser Publikation.
In diesem Bericht wird ein komplexer Fall von chronischer Listeriose vorgestellt, bei dem es innerhalb von zwei Jahren zu sechs Rückfällen gekommen ist, teilweise mit schweren Krankheitsbildern wie Lungenembolien und Sepsis. Als Infektionsherd konnte nach intensiver Untersuchung der implantierte Defibrillator der Patientin identifiziert werden.
Der Fall zeigt auf, dass bei Patient:innen mit Fremdkörpern, z.B. künstlichen Gelenken oder eben einem implantierten Defibrillator, die Bakterien Listeria monocytogenes nach einer Infektion zurückbleiben und Rückfälle auslösen können.
Ziel muss es sein, durch umfangreiche Abklärung, das Risiko solcher Rückfälle zu identifizieren und zu reduzieren.
Listeria (L.) monocytogenes
L. monocytogenes sind Bakterien, die hauptsächlich durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel übertragen werden, u.a. durch unpasteurisierte Milchprodukte, geräucherten Lachs und Geflügel. Bei Personen mit intaktem Immunsystem bleibt eine Infektion meist asymptomatisch oder löst nur leichte Symptome aus. Bei älteren und immunschwachen Menschen können L. monocytogenes zu einer invasive Listeriose führen, bei welcher sich die Bakterien jenseits des Verdauungstraktes ausbreiten. Dabei kann es zu einer Sepsis (Blutvergiftung) oder Gehirn- und Gehirnhautentzündung kommen. In seltenen Fällen kann eine invasive Listeriose mehrere Rückfälle auslösen, wobei Fremdkörper wie Herzklappen, Herzapparate oder Gelenkprothesen kolonisiert und im Körper als Reservoir dienen können.
Fallbeschreibung
Der Bericht beschreibt einen besonders komplexen Fall chronischer invasiver Listeriose mit insgesamt sechs Krankheitsepisoden über einen Zeitraum von zwei Jahren, von 2021 bis 2023. Die 78-jährige Patientin hatte 2002 einen Defibrillator implantiert bekommen. Es kam zu mehreren Listerien-Infektionen, bei denen die Elektroden dieses implantierten Defibrillators als Ursache verdächtigt wurden. Trotz umfangreicher Untersuchungen und Behandlungen, einschließlich mehrerer Krankenhausaufenthalte, konnten die Infektionen nicht dauerhaft geheilt werden. Letztlich wurde der Defibrillator entfernt, was jedoch aufgrund von Komplikationen während des Eingriffs nicht vollständig gelang. Die Patientin verstarb infolge eines Schlaganfalls und multipler septischer Embolien.
Untersuchungen
Aus dem Blut der Patientin und von den Elektroden des Defibrillators wurden in den Jahren 2021 bis 2023 das Bakterium L. monocytogenes isoliert und damit fünf L. monocytogenes‑Isolate gewonnen. Diese fünf L. monocytogenes‑Isolate wurden verschiedenen mikrobiologischen Untersuchungen unterzogen. Das Nationale Referenzlabor für Listeriose und das Nationale Referenzlabor für Listeria monocytogenes untersuchten u.a. die Empfindlichkeit der Bakterien gegenüber Antibiotika mittels Antimicrobial Susceptibility Testing (AST). Außerdem führten sie Serotypisierungen und Sequenzierungen durch. Ein wesentlicher Schritt dabei war in einer Clusteranalyse die Beziehung der Isolate zueinander zu herauszufinden. Dazu werden die Allele untersucht und verglichen, also die unterschiedlichen Varianten eines Gens an einer bestimmten Stelle auf einem Chromosom. Der derzeitige Schwellenwert in der Clusteranalyse, um die Abstammung von derselben Ausgangszelle zu bestätigen, ist ein Unterschied von sieben Allelen. Die Ergebnisse der genetischen Analysen zeigten, dass die L. monocytogenes-Isolate aus den Blutkulturen und den Defibrillator-Elektroden im Wesentlichen identisch waren. Einzig die Blutkultur aus Februar 2023 unterschied sich leicht von den anderen. Hier wird angenommen, dass es zur Bildung eines eigenen Clusters gekommen ist, auch wenn es Teil des ursprünglichen Klons bleibt. In dem vorliegenden Fall handelte es sich demnach um Rückfälle und nicht um Neuinfektionen.
Ausblick
Die vorliegende Fallstudie zeigt die Herausforderungen bei der Behandlung von Listeria-Infektionen, die durch implantierte medizinische Geräte verursacht werden. Für die Zukunft ist es wichtig, die Entstehung sowie Entwicklung der Krankheit und die Evolution von Listeria monocytogenes besser zu verstehen. Weitere Studien sind geplant, um die Auswirkungen der molekularen Befunde auf zukünftige Clusteranalysen von Listeria monocytogenes zu untersuchen. Insbesondere soll der aktuelle Cluster-Schwellenwert von sieben Allelen überprüft werden, um bessere diagnostische und therapeutische Strategien zu entwickeln. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Managementprotokolle für Patienten mit chronischen Listeria-Infektionen zu verbessern und die Risiken für Rückfälle zu minimieren
Die Studie ist abrufbar unter: Füszl, A., Schindler, S., Heger, F. et al., 2024. Recurrent, ICD-associated L. monocytogenes bacteraemia with multiple septic pulmonary embolisms over a 2-year period. Infection. https://doi.org/10.1007/s15010-024-02209-w