Quecksilber ist ein Schwermetall, das sowohl natürlich (z. B. Evaporation, Vulkanausbrüche) als auch durch industrielle Prozesse (z. B. Bergbau, Abfallverbrennung, Kohleverbrennung) in der Umwelt vorhanden ist. Durch Ablagerungen in Boden und Wasser gelangt Quecksilber in die Nahrungskette und somit in Lebensmittel. Man unterscheidet elementares Quecksilber (Hg0), anorganisches Quecksilber (iHg) und organische Quecksilberverbindungen. Elementares Quecksilber ist als Lebensmittelkontaminant nicht von Bedeutung. Anorganisches Quecksilber kann als Kontaminant in allen Lebensmittelgruppen vorkommen. Die bedeutendste organische Quecksilberverbindung in Lebensmitteln ist Methylquecksilber (MeHg). Methylquecksilber ist besonders gefährlich für die Gesundheit und kommt nur in Fisch und Meeresfrüchten (Krebstiere, Muscheln, Tintenfische) vor. Deshalb wird das Thema Quecksilber im Zusammenhang mit Fischkonsum diskutiert.
Anorganisches Quecksilber und Methylquecksilber haben sehr unterschiedliche toxikologische Eigenschaften und müssen in Risikobewertungen getrennt betrachtet werden. Anorganisches Quecksilber reichert sich vor allem in der Niere an und kann Nierenschäden verursachen. Methylquecksilber ist in der Lage die Blut-Hirn-Schranke und die Plazenta zu überwinden und kann neurologische Schädigungen auslösen. Besonders empfindlich gegenüber Methylquecksilber ist die Entwicklung des Nervensystems beim ungeborenen Kind. Der Tolerable Weekly Intake (TWI) für anorganisches Quecksilber beträgt 4 μg pro kg Körpergewicht pro Woche. Der TWI für Methylquecksilber beträgt 1,3 μg pro kg Körpergewicht pro Woche. Der TWI gibt die Menge eines Stoffes an, die über die gesamte Lebenszeit wöchentlich aufgenommen werden kann, ohne gesundheitliche Auswirkungen zu haben.
Im vorliegenden Bericht wurde das Auftreten von Quecksilber in Lebensmitteln in Österreich untersucht. Der Bericht umfasst die Daten von Lebensmitteluntersuchungen der AGES aus den Jahren 2007 bis 2015. Durch Verknüpfung dieser Ergebnisse mit Verzehrsdaten des Österreichischen Ernährungsberichts 2012 wurde die Aufnahme von anorganischem Quecksilber und Methlyquecksilber (Exposition) bei Erwachsenen und Kindern (6 - 9 Jahre) abgeschätzt. Zur Bewertung des Gesundheitsrisikos wurden die Aufnahmewerte den TWI-Werten gegenübergestellt.
Auftreten von Quecksilber in Lebensmitteln auf dem österreichischen Markt
Die Quecksilbergehalte in Lebensmitteln wurden als Gesamtquecksilber gemessen. Anschließend wurde der Anteil von anorganischem Quecksilber und Methylquecksilber anhand von Standardfaktoren errechnet. In Lebensmitteln terrestrischen Ursprungs liegt das gesamte Quecksilber als anorganisches Quecksilber vor. Terrestrischen Ursprungs sind alle Lebensmittelgruppen außer Fisch und Meeresfrüchte, also pflanzliche Erzeugnisse und Produkte von Landtieren. In Fisch liegen 80 - 100 % des Gesamtquecksilbers als Methylquecksilber vor, in Meeresfrüchten 50 - 80 %. Das restliche Quecksilber in Fisch und Meeresfrüchten liegt als anorganisches Quecksilber vor.
In allen Lebensmitteln terrestrischen Ursprungs waren die Quecksilbergehalte sehr gering. Bei 93 % der insgesamt 3.695 Proben terrestrischen Ursprungs lag der Gesamtquecksilber-Gehalt unter der Bestimmungsgrenze, d. h. es wurden keine messbaren Konzentrationen von Quecksilber gefunden. Da in einem solchen Fall keine Messwerte vorliegen, wurden bei der Berechnung des Mittelwertes zwei Berechnungsmethoden angewendet. Die Lower Bound (LB) Methode führt zu einer Unterschätzung, die Upper Bound (UB) Methode führt zu einer Überschätzung. Der auf diese Weise errechnete Mittelwert für Gesamtquecksilber in Lebensmitteln terrestrischen Ursprungs lag bei 1 - 7 μg/kg (LB-UB).
In der Gruppe „Fisch und Meeresfrüchte“ wurden insgesamt 1.751 Proben analysiert und der Mittelwert für Gesamtquecksilber betrug 64 - 66 μg/kg (LB-UB). Es gab deutliche Unterschiede im Quecksilbergehalt verschiedener Fischarten. Raubfische mit langer Lebensdauer, die am Ende der Nahrungskette stehen, sind am stärksten belastet.
Exposition gegenüber anorganischem Quecksilber
Bei der Expositionsabschätzung für anorganisches Quecksilber wurde angenommen, dass in terrestrischen Lebensmitteln 100 %, in Fisch 20 % und in Meeresfrüchten 50 % des gemessenen Gesamtquecksilbers als anorganisches Quecksilber vorliegen. Die errechnete Gesamtaufnahme von anorganischem Quecksilber führte zu keiner Überschreitung des TWI-Wertes. Die durchschnittliche Aufnahme betrug bei Erwachsenen höchstens 50 % des TWI-Wertes (UB), bei Kindern höchstens 71 % des TWI-Wertes (UB). Erwachsene mit hohem Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten (95. Perzentil der Verzehrswerte) schöpften den TWI für anorganisches Quecksilber höchstens zu 54 % (UB) aus, Kinder mit hohem Verzehr höchstens zu 78 % (UB).
Exposition gegenüber Methylquecksilber
Bei der Expositionsabschätzung für Methylquecksilber wurde angenommen, dass in Fisch 100 % und in
Meeresfrüchten 80 % des gemessenen Gesamtquecksilbers als Methylquecksilber vorlagen.
In Österreich verzehren Erwachsene durchschnittlich ca. 111 g Fisch und Meeresfrüchte pro Woche, und nehmen dadurch Methylquecksilber in der Höhe von 9 % des TWI-Wertes auf. Kinder von 6 - 9 Jahren verzehren durchschnittlich ca. 124 g Fisch pro Woche und erreichen damit 18 % des TWI-Wertes. Erwachsene mit hohem Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten (95. Perzentil der Verzehrswerte, d. h. ca. 750 g pro Woche) schöpfen den TWI-Wert zu 66 % aus. Kinder mit hohem Verzehr (ca. 570 g pro Woche) überschreiten mit 116 % den TWI für Methylquecksilber.
Es spielt eine große Rolle, welche Fischart konsumiert wird. Auf Basis der österreichischen Quecksilberdaten nehmen Erwachsene z. B. mit einer wöchentlichen Portion (150 g) Forelle nur 3 % des TWI Wertes auf, Kinder 8 %. Mit einer Portion Thunfisch pro Woche hingegen nehmen Erwachsene 30 % des TWI Wertes auf, Kinder 71 %.
Laut österreichischer Ernährungspyramide soll wöchentlich eine Portion heimischer Fisch (wie Saibling, Forelle, Karpfen) und eine Portion fetter Seefisch (wie Lachs, Makrele, Hering, Thunfisch) verzehrt werden. Bei Einhaltung dieser Verzehrsempfehlung schöpfen Erwachsene den TWI für Methylquecksilber zu 7 - 35 % aus, Kinder zu 17 - 84 %, je nachdem welche Fischarten kombiniert werden.
Tendenziell lagen die österreichischen Mittelwerte für Quecksilber in Fisch und Meeresfrüchten unter den europäischen Mittelwerten der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit). Während die österreichischen Daten bei Süßwasserfischen für den heimischen Markt besonders aussagekräftig waren, ist davon auszugehen, dass der internationale Markt für Meeresfische mit der europaweiten Datenerhebung der EFSA besser erfasst wurde. Auf Basis der europäischen Mittelwerte für Quecksilber werden z. B. alleine mit einer Portion Thunfisch von Erwachsenen 48 % des TWI-Wertes für Methylquecksilber aufgenommen, von Kindern 112 %. Bei der Einhaltung der Empfehlungen für den Fischverzehr sollte daher darauf geachtet werden, dass Kinder nicht jede Woche Raubfische (Thunfisch, Schwertfisch, Heilbutt und Hecht) essen. Kleinkindern, Schwangeren, Stillenden und Frauen mit Kinderwunsch wird vom Verzehr dieser Fischarten generell abgeraten. So können die positiven ernährungsphysiologischen Effekte des regelmäßigen Fischverzehrs ohne die Aufnahme bedenklicher Mengen von Methylquecksilber erreicht werden.