POPMON I & II: Identifizierung, Monitoring und Risikokommunikation von persistenten organischen Schadstoffen an potentiell belasteten Standorten in Österreich

Zusammenfassung

Persistente organische Schadstoffe (POP – Persistent organic pollutants) sind Chemikalien, die in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut werden. Diese Schadstoffe können über Lebensmittel oder das Trinkwasser in den menschlichen Körper gelangen. Im Rahmen des Projekts „POPMON - Identifizierung relevanter persistenter organischer Schadstoffe und potentiell belasteter Regionen als Basis für ein risikobasiertes Lebensmittel-Monitoring in Österreich“ wurden Industrie- und Abfallbehandlungsstandorte hinsichtlich eines möglichen Risikos der Umweltkontamination durch diese Stoffe untersucht. Die gewonnenen Informationen dienen als Basis für Lebensmittel- oder Trinkwasser-Monitorings. POPMON I wurde von 2017 bis 2018 und POPMON II von 2019 bis 2021 durchgeführt.

Projektbeschreibung

Persistente organische Schadstoffe (POPs) sind schwer abbaubar und reichern sich aufgrund ihrer Langlebigkeit in der Umwelt an. Durch Freisetzen von persistenten organischen Schadstoffen aus Punktquellen (z. B. Verbrennungsanlagen) kann die Umwelt stark belastet werden. POPs können wegen ihrer Lipophilie vor allem in fettreichen Lebensmitteln gefunden werden und sich so in der Nahrungskette anreichern. 90 % der gesamten Exposition gegenüber POPs resultiert aus dem Verzehr von Lebensmitteln. Im Menschen können diese Stoffe verschiedene gesundheitliche Auswirkungen auf den Hormonhaushalt, auf das Nervensystem und auf verschiedene Organe, wie die Leber und Nieren, haben. POPs können außerdem Krebs, Allergien und Überempfindlichkeiten, Schäden am zentralen und peripheren Nervensystem sowie Störungen der Fortpflanzung und des Immunsystems verursachen. Früher wurden persistente organische Schadstoffe in der Landwirtschaft und Industrie weit verbreitet eingesetzt, heute ist ihre Anwendung verboten oder auf spezielle Ausnahmen beschränkt. POPs werden aber auch unabsichtlich, vor allem bei Verbrennungsprozessen, produziert. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt sind POPs im Rahmen der Stockholm Konvention geregelt (Vereinte Nationen, 2001). Diese wurde mit der EU-POP-Verordnung 2019/1021 in europäisches Recht übernommen.

Im Projekt POPMON I wurden Verdachtsflächen und Altlasten hinsichtlich eines möglichen Umweltkontaminationsrisikos durch persistente organische Schadstoffe in Österreich identifiziert und analysiert. Das Ziel war, unter anderem aus diesen Daten und anhand von Informationen zu Auftreten, Exposition und Toxikologie fachlich fundierte Vorschläge für Schwerpunktaktionen in der Lebensmittelkontrolle in Bezug auf POPs abzuleiten. Dies dient zur Früherkennung etwaiger belasteter Regionen, um rechtzeitig Maßnahmen zur Risikominimierung setzen zu können. 

Im Folgeprojekt „POPMON II - Risikokommunikation und risikobasiertes Monitoring von persistenten organischen Schadstoffen in verschiedenen Umweltmatrices, Futter- und Lebensmitteln an potentiell belasteten Standorten in Österreich“ wurden in der ersten Phase mögliche Regionen für ein emissionsbasiertes Monitoring identifiziert und anschließend zwei Szenarien näher charakterisiert und ausgearbeitet. In der zweiten Phase wurden Proben verschiedener relevanter Matrices an diesen beiden Standorten gezogen und auf ausgewählte POPs untersucht und bewertet. Planung und Durchführung erfolgte in Abstimmung mit den entsprechenden Ländervertretern. Auffällige Ergebnisse wurden den entsprechenden Landesbehörden bereits während des Projekts mitgeteilt. Abschließend wurden mit den Ländervertretern weitere Empfehlungen und Maßnahmen in einem Workshop diskutiert.

Ergebnisse

Im Zuge der Gefährdungsabschätzung von 300 historisch kontaminierten Standorten wurden bei der Bewertung nach Art, Intensität und Ausmaß der Verunreinigungen an 38 Altlasten Kontaminationen durch persistente organische Schadstoffe als erheblich eingestuft. 14 dieser Altlasten gelten als gesichert oder saniert. Zum überwiegenden Anteil handelt es sich dabei um mit polzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen kontaminierte Standorte. An einzelnen Standorten sind Kontaminationen durch polychlorierte Dibenzo-para-Dioxine und Dibenzofurane bzw. aus der Chlorchemie gegeben. Darüber hinaus wurden bei Altlasten bis dato keine weiteren POPs in relevantem Ausmaß nachgewiesen. Für die Auswertung zu Altstandorten wurden die Branchen Chemische Industrie und Erzeugung organischer Grundstoffe und Chemikalien ausgewählt, da hier aufgrund bisher wenig oder nicht untersuchter persistenter organischer Schadstoffe eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Kontaminationen des Untergrundes gegeben ist. 

Im Projekt POPMON II befasste sich ein Szenario mit der Untersuchung von bromierten Flammschutzmitteln an den Industriestandorten Amstetten und Kematen an der Ybbs in Niederösterreich, wo sich Schredderanlagen zum Recycling von Autos und Elektrogeräten befinden. Die Untersuchungen von Ablagerungen und Boden zeigten, dass erhöhte Konzentrationen der POPs PCDD/F und dl-PCBs sowie ndl-PCBs in der Nähe des Industriegebietes Amstetten möglich sind. Generell war in den meisten Fällen eine Abnahme der Schadstoffkonzentrationen mit zunehmender Entfernung von möglichen Eintragsquellen festzustellen. Bei den gemessenen Flammschutzmitteln dominierte BDE 209, aber auch Ersatzstoffe wie DBDPE, DP oder HBB wurden in fast allen Boden- und Depositionsproben nachgewiesen. Proben von lokal produzierten, vorwiegend tierischen Lebensmitteln, wie beispielsweise Milch, Käse, Hühnereier, Rind-, Lamm- und Schweinefleisch, Speck, Honig und Kürbiskernöl, wurden im Umkreis von bis zu 10 km um die Industriegebiete gezogen. Die vorliegenden Proben hielten die gesetzlichen Höchstgehalte für PCDD/F, dl-PCB, ndl-PCB und Chlorpestizide ein. Die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge für PCDD/F und dl-PCB wird durch Verzehr von Rindfleisch, Milch und Lammfleisch nur bei Kindern 1,6-fach überschritten. PBDE, wie BDE 153 und BDE 126, konnten in geringen Mengen in neun von fünfzehn Lebensmittelproben gefunden werden. Zurzeit sind keine Höchstgehalte für PBDE in Lebensmitteln festgelegt. Nach derzeitigem Stand des Wissens kann kein Risiko ausgehend von obengenannten POP für die Gesundheit der Bevölkerung abgeleitet werden, jedoch sollte die Aufnahme von PCDD/F und dl-PCB bei Kindern reduziert werden.

Das zweite Szenario befasste sich mit der Untersuchung auf per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) im Raum Lebring/Leibnitz in der Steiermark. Es wurden 22 PFAS analysiert. Untersucht wurden Grundwasser, Sickerwasser einer Altlast, ein Oberflächengewässer (Löschteich), Trinkwasser, Tränkwasser, Blut von Nutztieren und tierische Lebensmittel. Zusätzlich wurden lokal produzierte Lebensmittel auf PCDD/F, dl-PCB und ndl-PCB untersucht. In den verschiedenen Wasserproben zeigten die Ergebnisse teilweise erhöhte PFAS-Werte, wobei die im Rahmen dieser Untersuchungen ausgewählten Stichproben Einmalmessungen waren und zu unterschiedlichen Probenahmezeitpunkten gewonnen wurden. Die Substanzen PFBS, PFOA, PFOS, PFHxS, PFPeS, PFHpA, PFHxA, PFHxS, PFPeA waren in fast jeder Wasserprobe bestimmbar. Acht Proben Trinkwasser von verschiedenen Brunnen in Lebring und Leibnitz und je eine Netzprobe von Lebring und Leibnitz wurden gezogen und auf 22 PFAS untersucht. Dabei konnten PFBA, PFHxA, PFHpA, PFOA, PFBS, PFHxS und PFOS in allen Proben festgestellt werden. Den Parameterwert von 0,10 µg/l der EU-Trinkwasserrichtlinie überschritten vier Proben aus Lebring. Unter der Annahme, dass die Bevölkerung ausschließlich Trinkwasser dieser Brunnen bzw. dieser Netzprobe aus Lebring konsumierte, konnte ein gesundheitliches Risiko durch persistente organische Schadstoffe nicht ausgeschlossen werden.

Aufgrund der Untersuchungsergebnisse wurde vom Land Steiermark die Sperre der am stärksten mit PFAS belasteten Brunnen veranlasst und ein Projekt zur Ursachenabklärung eingesetzt. Aufgrund der getroffenen Maßnahmen des Landes Steiermark liegt die PFAS-Konzentration der Netzprobe bereits wieder unter dem Parameterwert der europäischen Trinkwasserrichtlinie von 100 ng/l. Die Proben der lokal produzierten Lebensmittel hielten die gesetzlichen Höchstgehalte für PCDD/F, dl-PCB, ndl-PCB und Chlorpestizide ein. Auch PFAS wurden in den lokal produzierten Lebensmitteln gemessen; zurzeit sind hier noch keine Höchstgehalte festgelegt. Erhöhte Konzentrationen wurden in Rindfleisch, Schweinefleisch und Karpfen gefunden. Diese Proben waren auch am höchsten mit PCDD/F und PCB belastet. Bei den berechneten PFAS-Aufnahmemengen über lokal produzierte Lebensmittel und das Trinkwasser wird die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge um das 3- bis 4,5-fache überschritten, wobei der Beitrag von Trinkwasser zur Aufnahme rund 60 % beträgt. Ein Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung ausgehend von PFAS konnte daher nicht ausgeschlossen werden.

Die Berechnungen für ein eventuelles gesundheitliches Risiko durch persistente organische Schadstoffe erfolgten in jedem Szenario unter der Annahme, dass sich die Bevölkerung ausschließlich von den im Projekt untersuchten Lebensmitteln aus der jeweiligen Region ernährt. Die Aufnahme über weitere Lebensmittelkategorien wurde nicht berücksichtigt. Diese Lebensmittel können jedoch ebenfalls zur Aufnahme von POPs beitragen.

Resümee

In einem Teil des Projekts wurden in Amstetten und Kematen an der Ybbs erhöhte Konzentrationen von Dioxinen, PCB und Flammschutzmitteln gemessen. Die in Lebensmitteln gemessenen Werte konnten die gesetzlichen Höchstgehalte für Dioxine und PCB einhalten. Die Konzentrationen von Flammschutzmitteln waren gering. Im zweiten Teil des Projekts wurden in Lebring und Leibnitz erhöhte Konzentrationen von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) im Grundwasser, Oberflächenwasser, Tränk- und Trinkwasser festgestellt. Auch in tierischen Lebensmitteln wurden PFAS gefunden. Ein Risiko für die Bevölkerung durch den Konsum des Trinkwassers konnte nicht ausgeschlossen werden. Als Maßnahme wurde daher die Schließung der am stärksten belasteten Trinkwasserbrunnen durch das Land veranlasst.

Aufbauend auf den Erfahrungen aus dem Projekt wird als Maßnahme empfohlen, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um in einem Notfall oder einer Krise schneller eine Koordinationsstelle einsetzen zu können. Diese Koordinationsstelle ist auch für die Krisenkommunikation von großem Vorteil, um koordiniert, kompetent und einheitlich Informationen zur Verfügung zu stellen und Vertrauensverlusten in der Öffentlichkeit vorbeugen zu können. Empfohlen wird auch, Umweltinformationen, welche für die Lebensmittelsicherheit relevant sind, strukturiert zu sammeln und verpflichtend auszutauschen. Lebensmittelrelevante Umweltmonitorings sollten weitergeführt bzw. ausgedehnt werden, um Kontaminationsursachen frühzeitig erkennen zu können. Dies ist wesentlich für die Aufklärung, Sanierung und Verhinderung weiterer Verunreinigungen, die ansonsten unentdeckt bleiben und dabei Umwelt, Tiere und Menschen mit Schadstoffen belasten können. 

Nutzen des Projekts

Der Nutzen liegt in der Risikominimierung durch Reduktion der Exposition der Bevölkerung gegenüber persistenten organischen Schadstoffen. Anhand von Umwelt- und Lebensmittel-Monitorings sollen Kontaminationsursachen frühzeitig erkannt werden. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung, Sanierung und Verhinderung weiterer Verunreinigungen, die ansonsten unentdeckt bleiben und dabei Umwelt, Tiere und Menschen mit Schadstoffen belasten.

Die in den POPMON-Projekten erarbeiteten Listen zu potentiell kontaminierten Standorten und Regionen in Österreich dienen als Basis zur Planung und gezielten Durchführung der jährlichen risikobasierten Lebensmittel-Monitorings. Im Projekt wurde auch gezeigt, dass Befunde aus der Trinkwasseruntersuchung einen Hinweis auf eine Belastung der lokal produzierten Lebensmittel geben können. Ergebnisse aus Trinkwasseruntersuchungen sollen daher in Zukunft stärker in die Planung von Lebensmittel-Monitorings einfließen.

Projektdetails

Projektakronym: POPMON (I & II)

Projektleitung AGES: Dipl.-Ing. Elke Rauscher-Gabernig, MScTox, Fachbereich Integrative Risikobewertung, Daten und Statistik
Projektpartner: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Umweltbundesamt GmbH
Land Niederösterreich
Land Steiermark

Finanzierung

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK)

Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK)

Projektlaufzeit

06/2017 bis 12/2018 (POPMON I)

06/2019 bis 06/2021 (POPMON II)

Publikationen

Endberichte
 

Plichta V., Steinwider J., Hauzenberger I., Rauscher-Gabernig E., 2021. Projekt POPMON –Szenarium mit Verdacht auf Flammschutzmittel-Verunreinigungen (Project POPMON- Scenario with suspected flame retardant contamination), ALVA-Mitteilungen, Heft 9, 76-78, ISSN 1811-7317.

Steinwider J., Hauzenberger I., Plichta V., Rauscher-Gabernig E., 2021. Projekt POPMON – Empfehlungen für Krisenkoordination, Kommunikation und für eine Monitoring- und Laborstrategie (Project POPMON - Recommendations for crisis coordination, communication and for a monitoring and laboratory strategy), ALVA-Mitteilungen, Heft 9, 43-47, ISSN 1811-7317.

Rauscher-Gabernig E., Hauzenberger I., Plichta V., Steinwider J., 2021. Projekt POPMON – Szenarium mit Verdacht auf PFAS-Verunreinigung (Project POPMON – Scenario with suspected PFAS contamination), ALVA-Mitteilungen, Heft 9, 39-42, ISSN 1811-7317.

Rauscher-Gabernig E., Hauzenberger I., Plichta V. und Steinwider J., 2021. Projekt POPMON – Risikobasiertes Monitoring von persistenten organischen Schadstoffen in verschiedenen Umweltmatrices, Futter- und Lebensmitteln an potentiell belasteten Standorten in Österreich. Bericht ALVA Jahrestagung 04.-05.10.2021, Wieselburg, Austria, 274-277, ISSN 1606-612X.

Weitere Informationen

POP-Übereinkommen

Aktualisiert: 04.11.2024